Richtig zitieren mit Fritz und Nikolaus

cuÜber das Großprojekt „Zitat und Paraphrase“ haben wir bereits mehrfach berichtet. [1, 2] Zweieinhalb Jahre lang werden 25 Gelehrte an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften all den Fragen nachgehen, die im Zuge des Skandals um die Doktorarbeit der ehemaligen Wissenschaftsministerin Schavan aufgetaucht sind. Heute können wir unsere Berichte über dieses Forschungsprojekt ein wenig ergänzen. Und da hier der große Nikolaus von Kues mächtig ins Spiel kommt, der ja auch in der Wissenschaftsgeschichte als heiligmäßig gilt, müssen wir uns nicht wundern, wenn hieraus nun ein Wunderbericht wird.

Am 22. Februar 2013 kündete der Kölner Stadt-Anzeiger erstmals von den bevorstehenden wissenschaftlichen Großtaten an der BBAW. Genauer gesagt: Es war der langjährige Schavan-Weggefährte, der Berliner Theologe und Kirchenhistoriker Christoph Markschies, der dem langjährigen Schavan-Weggefährten, dem Theologen und Journalisten Joachim Frank, gerne Auskunft gab. Nebenher machte das Blatt vollends deutlich, dass dieses Vorhaben ausschließlich dem hehren Ziel der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung dienen und keinerlei andere Zwecke verfolgen würde:

In dem Forschungsantrag, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, ist von „dringendem Handlungsbedarf“ die Rede, weil die Debatte über Plagiate „erkennbar parteipolitisch grundiert“ sei. Im Hintergrund steht unter anderem der Fall der ehemaligen Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), der die Universität Düsseldorf vor zwei Wochen wegen des Vorwurfs vorsätzlicher Täuschung in ihrer Dissertation den Doktortitel aberkannt hat. Dagegen hat Schavan jetzt Klage beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht erhoben. [3]

Und nun ist es wunderbar, dass auch die Fritz-Thyssen-Stiftung diesen dringenden Handlungsbedarf angesichts der parteipolitischen Grundierung der Debatte sowie des anhängigen Verfahrens beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht im Hintergrund erkannte und die nötigen Mittel für die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Zitat und Paraphrase“ ungesäumt zur Verfügung stellte. Bei der Fritz-Thyssen-Stiftung nämlich wurde der Forschungsantrag eingereicht, und das kann frühestens in der zweiten Januarhälfte geschehen sein, denn Mitte Januar war dieser Antrag noch nicht fertig. Vermutlich aber geschah es erst gegen Ende Februar, kurz bevor Markschies mit der guten Botschaft an die Öffentlichkeit ging.

Als Antragsteller trat neben Markschies der frühere Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens auf. Wunderbar fügte es sich, dass Antragsteller Markschies zugleich auch stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Fritz-Thyssen-Stiftung ist. Wunderbar ist es auch, dass mit Georg Braungart und Matthias Kleiner gleich zwei weitere Mitglieder der IAG „Zitat und Paraphrase“ dem Wissenschaftlichen Beirat der Thyssen-Stiftung angehören. [4, 5]

Der Wissenschaftliche Beirat berät die Stiftung bei der Durchführung der Stiftungsaufgaben, vor allem bei der Vergabe der Fördermittel [5]

heißt es auf der Homepage der Stiftung, und das hat in diesem Fall ja auch ganz wunderbar funktioniert. Dank der Beratung durch den Wissenschaftlichen Beirat konnten die Forschungsgelder so zügig vergeben werden, dass sich die IAG „Zitat und Paraphrase“ alsbald konstituieren und schon im Mai 2013 ein erstes Arbeitstreffen abhalten konnte.

Doch der Wunder war es damit nicht genug. Denn schon nach wenigen Monaten konzentrierter Plagiatsphrasenforschung wollte es die Vorsehung, dass der Wissenschaftsrat eine Tagung über “Wissenschaft in der Verantwortung. Gute wissenschaftliche Praxis und Qualitätssicherung in der Promotion” abhielt. Wunderbar fügte es sich, dass er als Tagungsort die Räumlichkeiten der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erwählte. Und ganz und gar wunderbar musste es erscheinen, dass bei dieser Gelegenheit das IAG-Mitglied Philipp Theisohn bereits erste wesentliche Arbeitsergebnisse der Forschergruppe vorstellen und dabei heftig durchschimmern lassen konnte, was von der Düsseldorfer Bewertung in Sachen Schavan zu halten war. Wunderbar auch, dass gerade diese Präsentation als der einzige Vortrag den Höhepunkt und Abschluss der Tagung darstellte. Wunderbar schließlich, dass all dies geschah, obgleich dieser bedeutende Auftritt im Arbeitsprogramm der IAG zunächst gar nicht vorgesehen war.

Diese im Wissenschaftsbetrieb leicht überdurchschnittliche Wunderfrequenz verdankt sich zweifellos der Mitwirkung des Nikolaus von Kues, genannt Cusanus. An Fortschritt und Zielen der IAG „Zitat und Paraphrase“ nimmt er ungemein lebhaften Anteil. Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Kirchenmann des 15. Jahrhunderts und den Mitgliedern der IAG dürfte es angesichts der personellen Zusammensetzung der Arbeitsgruppe nicht geben.

Die Liste der 25 Mitglieder der IAG „Zitat und Paraphrase“ birgt einige Überraschungen – jedenfalls für arglose Zeitgenossen, die gerne glauben, dass es hier um die Erforschung des Unbekannten oder des Noch-nicht-genau-genug-Gewussten geht, und nicht um die eilbedürftige Unterfütterung von interessengeleiteten Behauptungen in einem konkreten, politisch grundierten Konflikt mit einem Gerichtsverfahren im Hintergrund. Tatsächlich besteht die IAG in ihrem Kern aus vielfach bewährten Schavan-Anhängern, wobei die Schavanisten unter den Mitgliedern der Berlin-Brandenburgischen Akademie durch zusätzliche Hilfstruppen erheblich verstärkt wurden. Unter diesen Hilfstruppen jedoch tut sich ein Bataillon aus Cusanus-Leuten besonders hervor. Das macht ja auch Sinn. Schließlich war Annette Schavan von 1980 bis 1984 als Referentin, von 1988 bis 1991 als Geschäftsführerin und von 1991 bis 1995 als Leiterin der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk tätig.

Von den 25 IAGlern sind 16 Mitglieder der BBAW sowie zwei Mitglieder der „Jungen Akademie“. Unter ersteren finden sich altgediente Haudegen des Wissenschaftsbetriebs wie Markschies, Gaehtgens, der frühere DFG-Präsident und designierte Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, der frühere Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und langjährige Leiter des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung, Jürgen Kocka, aber auch der einstige Vorsitzende des Wissenschaftsrats und ehemalige Präsident der BBAW, Dieter Simon.

Besonderes Interesse verdienen freilich jene sieben Wissenschaftler, die nicht der BBAW angehören, auf deren Mitarbeit in der IAG „Zitat und Paraphrase“ jedoch nicht verzichtet werden konnte: Georg Braungart, Rainer Hank, Ludger Honnefelder, Rainer Maria Kiesow, Glenn Most, Philipp Theisohn und Johannes Zachhuber.

Der Tübinger Literaturwissenschaftler Georg Braungart konnte als Nicht-Mitglied der BBAW zwar nicht als Antragsteller auftreten, spielt jedoch in der IAG neben Markschies eine führende Rolle. Nicht zuletzt ist ihm die Mobilisierung der IAG-Wunderwaffe Theisohn zuzuschreiben. Braungart ist seit 2011 Leiter der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk. Öffentlich äußerte er sich in der Angelegenheit seiner Vorvorgängerin in diesem Amte bislang eher zurückhaltend. Im Oktober 2012 hatte Braungart noch die Zuversicht, dass der Fall Schavan „gut“ ausgehen würde, und sagte:

Wenn übrigens jemand, der ein Stipendium vom Cusanuswerk erhält, in gravierender Weise gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis verstößt und dies von der Hochschule abschließend festgestellt wurde, muss er sein Stipendium zurückzahlen. Aber eben erst dann. [6]

Nachdem die Hochschule abschließend gravierende Verstöße der Ministerin gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis festgestellt hatte, machte Braungart seinem Herzen lieber hinter verschlossenen Türen Luft. So hielt er am 20. Juni 2013 im Rotary Club Reutlingen-Tübingen-Süd einen Vortrag zum Thema:

Denk ich an Düsseldorf in der Nacht … Der Umgang mit Annette Schavan und die Folgen für die Geisteswissenschaften [7]

Die Beteiligung des Wirtschaftsjournalisten und Leiters der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Rainer Hank an der IAG könnte bei oberflächlicher Betrachtung eher seltsam erscheinen, obwohl er einst Literaturwissenschaft, Philosophie und Katholische Theologie studiert hat. Gerade in diesen Disziplinen braucht die IAG eigentlich kaum noch fachliche Verstärkung vom Wirtschaftsteil der FAS. Plausibel wird die Sache allerdings dadurch, dass Hank von 1983 bis 1988 als Referent beim Cusanuswerk tätig war, also ein Kollege von Annette Schavan aus uralten Zeiten ist. Da muss man gar nicht wissen, dass er an der Universität  Bielefeld gelegentlich für den Braungart-Bruder Wolfgang Lehrveranstaltungen abhält, um seine Einbeziehung in die IAG „Zitat und Paraphrase“ für unbedingt zielführend zu halten.

Auch der Theologe und Philosoph Ludger Honnefelder arbeitet in der IAG feste mit. Zu seinen zahlreichen einschlägigen Vorarbeiten zählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Erklärung, mit der sich im Juni 2012 „die Wissenschaft selbst“ gegen die Plagiatsjagd wandte, ferner ein entlastendes Gutachten zur Schavan’schen Doktorarbeit, das er im Januar 2013 der Universität Düsseldorf vorlegte, und eine vernichtende Stellungnahme zum Rohrbacher-Gutachten, die er gleichzeitig veröffentlichte. Auch Honnefelder ist mit Annette Schavan seit unvordenklichen Zeiten bestens vertraut: 1982 hatte er die Leitung des Cusanuswerks übernommen, wo Schavan zunächst Referentin und später Geschäftsführerin war. Als Honnefelder 1991 ausschied, wurde sie seine Nachfolgerin.

Dem Cusanuswerk verbunden ist auch der Jurist Rainer Maria Kiesow. Das macht ihn allerdings durchaus nicht schon zu einem Bruder im Geiste von Braungart, Hank und Honnefelder. In seinem Fall dürften vielmehr die enge Verbundenheit mit Dieter Simon und sein intensives Interesse an Fragen des Plagiats den Ausschlag gegeben haben. So ist Kiesow, der ein ebenso feines wie scharfes intellektuelles Florett führt, etwa Plagiatsvorwürfen entgegengetreten, die Volker Rieble 2010 in seinem umstrittenen Buch „Das Wissenschaftsplagiat“ erhoben hat. [8] Kiesow, ehemaliges Mitglied der „Jungen Akademie“, war zudem auch an anderen Vorhaben der BBAW schon beteiligt. Dass er keineswegs der Cusanus-Fraktion zuzurechnen ist, dürfte beispielhaft seine phänomenal wenig respektvolle Besprechung einer der Kleinschriften des von Schavan und ihresgleichen so verehrten Ernst-Wolfgang Böckenförde verdeutlichen: Dieser dumpfe, verstaubte Mist sei „Volksverdummung“, urteilte Kiesow. [9]

Bei dem Zürcher Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn handelt es sich dagegen offenbar um einen wertvollen Mitstreiter der Cusanus-Leute. Theisohn, der auf der Tagung des Wissenschaftsrats im Juli 2013 schon für die IAG brilliert hat und von dem am ehesten weitere inhaltliche Beiträge zu erwarten sind, darf als Anwerbung des Cusanuswerk-Leiters Georg Braungart gelten, mit dem er seit gemeinsamen Tübinger Tagen in enger Zusammenarbeit verbunden ist.

Die Mitwirkung des Pisaner Altphilologen und Leibniz-Preisträgers Glenn Most erklärt sich durch einschlägige Vorarbeiten – etwa zu den Quellen der Rhetorik-Vorlesung Friedrich Nietzsches – und durch seine vielfältige Vernetzung in der Berliner Wissenschaftslandschaft, insbesondere durch seine enge Zusammenarbeit mit dem BBAW- und IAG-Mitglied Anthony Grafton, aber auch mit Markschies und anderen Beteiligten.

Der Theologe Johannes Zachhuber, einst Assistent und Juniorprofessor am Lehrstuhl von Richard Schröder an der Humboldt-Universität Berlin, ist dagegen bislang nicht durch besonderes Interesse am Forschungsgegenstand der IAG aufgefallen. Umso deutlicher springt seine besondere Nähe zu Markschies ins Auge: Gemeinsame Veröffentlichungen und zahlreiche gemeinsame Lehrveranstaltungen zeugen von weit zurückreichender, enger Vertrautheit, die auch nach Zachhubers Berufung an das Trinity College zu Oxford keineswegs schwand. So war es für den vielbeschäftigten Markschies durchaus angenehm, sich gelegentlich als Visiting Fellow nach Oxford einladen lassen und so dem Berliner Trubel entfliehen zu können.


Die IAG „Zitat und Paraphrase“ ist keineswegs einfach eine Schavan-Truppe. Das zeigt gerade das Beispiel Rainer Maria Kiesow. Spätestens an dieser Stelle ist auch von Dieter Simon zu sprechen, der in einschlägig interessierter Literatur durchaus schon mal als prominentes Beispiel für den Aufstieg von Katholiken in exponierte Positionen im deutschen Wissenschaftsbetrieb herhalten durfte. Gemeinsam mit Kiesow, Regina Ogorek und Benjamin Lahusen hat er die sehr ungewöhnliche juristische Zeitschrift „myops. Berichte aus der Welt des Rechts“ ins Leben gerufen, als deren Erweiterung ins Internet uns der Mops-Block erfreut. Vom Verdacht des Muckertums ist das alles sehr weit entfernt. Im Mops-Block erschien schon im Oktober 2012 eine Auseinandersetzung von Regina Ogorek mit dem Anverwandeln der Ministerin Schavan, die wenig zimperlich war und auch den Wunsch zum Ausdruck brachte, dass sich die Universität Düsseldorf „bei ihren diesbezüglichen Ermittlungen durch das Geifern der Renommierten aus Politik und Wissenschaft nicht stören“ lassen möge. Simon selbst äußerte nach der Aberkennung des Doktorgrades im Februar 2013 den für Schavan wenig schmeichelhaften Wunsch, dass die noch nicht zurückgetretene Ministerin im Amt ausharren werde:

Dann wäre die Sache nämlich in wenigen Tagen vergessen und die Politikerin könnte, unauffällig, blass und einfallslos, wie sie ihr Amt geführt hat, in der Provinz weiterwerkeln. Hoffentlich bleibt sie standhaft. Ansonsten wäre das in vieler Hinsicht ein herber Verlust. [10]

Im weiteren Verlauf oszilliert sein Beitrag dann zwar ziemlich in der Gegend umher, und irgendwie kommen alle Beteiligten dabei gleich schlecht weg – aber eine auch nur halbherzige Schavan-Apologie sieht dann doch sehr anders aus.

Markschies, Braungart und die Freunde von der IAG machen allerdings nicht den Eindruck, dass sie viel im Mops-Block lesen. Dafür haben sie auch gar keine Zeit bei all der Plagiatsphrasenforschung, die ja nun heftig vorangetrieben werden muss. Das letzte Heft der „Gegenworte. Hefte für den Disput über Wissen“ zeigt, wie es voran geht. Diese Hefte der BBAW wurden 1997 begründet

als Versuch, die Diskussion über Voraussetzungen, Beschränkungen und Erfolgsbedingungen der Wissenserzeugung öffentlich zu diskutieren. [11]

Trotz aller seither eingetretenen Veränderung der Wissenschaftskommunikation in Deutschland hatte es sich bislang

nicht erübrigt, öffentlich darüber nachzudenken, wie Wissenschaft funktioniert und wie sie in die Gesellschaft hineinwirkt. [11]

Nun aber ist das Heft Nr. 29 erschienen, das sich der „Skandalisierung (in) der Wissenschaft“ widmet. Damit darf der Versuch, die Diskussion öffentlich zu diskutieren, wohl als erfolgreich abgeschlossen gelten, weshalb die „Gegenworte“ ihr Erscheinen mit dieser späten Frühlingsnummer einstellen können.

Unter den Autoren dieser letzten „Gegenworte“ sind mit Peter Weingart und Christoph Markschies auch zwei IAG-Mitglieder. Der Soziologe Weingart setzt sich mit der Ablösung der Wissenschaft aus ihrer bisherigen gesellschaftlichen Sonderstellung, der Ablösung von Vertrauen durch Kontrolle auseinander:

An die Stelle von Vertrauen in die innere Selbstregulierung von Institutionen treten die Kontrolle von außen und die Rechenschaftslegung gegenüber einer imaginierten Öffentlichkeit. Längst hat die Kontrollwut mit ihren Kennzahlorgien auch die Wissenschaft erreicht […]. Man mag diesen Wandel bedauern, und gerade Wissenschaftler tun das mit besonderer Inbrunst, weil die Wissenschaft die letzte Institution war, der vertraut wurde. Aber sie [sic] ist auch ein inhärenter Teil von Demokratisierung. Rechenschaftslegung folgt den Prinzipien der Transparenz und der Öffentlichkeit. Es gibt kein wirklich gutes Argument gegen sie. [12]

Doch ohne deutliches Bedauern ist das nicht gesagt. Weingart, durchaus kein großer Verfechter von Transparenz in der Wissenschaft, [13] befindet sich hier erkennbar in einem Zwiespalt. Im Übrigen zeigt sich bei Weingart eine bezeichnende Mischung von Ressentiment und Nüchternheit – und eine Halbinformiertheit über die Szene der „Plagiatsjäger“, die gleichfalls so erstaunlich wie bezeichnend ist. Denn immerhin ist diese Szene ja Beobachtungsgegenstand des Wissenschaftlers, der sich mit Zitaten und Paraphrasen und ihrer medialen und politischen Skandalisierung befasst. Da hätte er es schon wesentlich genauer nehmen dürfen:

Hinter den Plagiatsjägern wurden zunächst Linke vermutet, weil auffallend viele der von ihnen aufgedeckten Plagiate (mehr oder weniger) prominenten Politikerinnen und Politikern des konservativ-liberalen Lagers zuzuschreiben waren. Doch dieser Reflex ist rührend altmodisch. Es geht allein um die Prominenz der Ertappten, genauer die politische Prominenz, die selbst noch über die Kinder von Prominenten beliehen wird, wie im Fall der Taufpatin des VroniPlags. Prominente Politiker sind seit jeher das primäre Ziel von Skandalisierung. […] Rechtzeitig zur Bundestagswahl eröffnete der Begründer des VroniPlags Anfang Februar die „Plagiatsjagd“ auf Politiker mithilfe eines von ihm erstellten „PolitPlag“. [12]

Da wird nur nacherzählt, was in mancherlei Gazetten zu lesen stand. Solche Halbkenntnis, die sich dann in allgemeinere Erkenntnisse einbetten lässt, ist umso bedauerlicher, als sich Weingart ansonsten keineswegs „auf einem Auge blind“ zeigt.

Die bedeutenderen Erkenntnisse über die Fortschritte der IAG „Zitat und Paraphrase“ lassen sich freilich aus dem Beitrag von Christoph Markschies gewinnen. Hier geht es nun unmittelbar um die Sache selbst: „Plagiate in der Wissenschaft“ ist er betitelt. Und so erfahren wir nun allerlei Wesentliches, Weiterführendes, direkt aus der Feder des Sprechers der 25 Gelehrten. „Eigentlich“, so hebt er an, „scheinen wir zum Thema ‚Plagiate‘ in der
Wissenschaft‘ alles zu wissen“. [12] In Wahrheit wissen wir aber beileibe noch nicht alles zum Thema, weshalb es vonnöten war, mit Fördergeldern der Fritz-Thyssen-Stiftung eine Gelehrtengruppe an der BBAW einzurichten, wonach es vonnöten war, dass deren Sprecher diesen Beitrag verfasste. Und so vernehmet denn von einer „sehr klugen tschechischen Studentin“, die dermaleinst Christoph Markschies während seines professoralen Weilens in Jerusalem ob ihrer gänzlichen Unbekümmertheit in Fragen der wissenschaftlichen Redlichkeit ins Grübeln brachte, von seiner akademischen Lehrerin, die sich am Buffet als „muntere Ostpreußin“ erwies, und von allerhand außer Frage stehenden Heroen der Wissenschaft, die es in verschiedenen Zeitaltern mit den Fußnoten nicht so genau genommen haben und sich dennoch der weiterhin ungeschmälerten Verehrung durch Christoph Markschies erfreuen dürfen. Eher nebenher wird dabei dankenswerterweise auch die zitatsphrasengeschichtlich wichtige Frage geklärt, wieso etwa der dezidiert katholische Bonner Historiker Konrad Repgen schon in den 1970er Jahren großen Wert auf korrektes Zitieren legte:

Repgen befand sich in einer dramatischen Abwehrschlacht gegen den von evangelischen Kollegen erhobenen Vorwurf, die katholische Kirche habe ebenso früh wie intensiv gemeinsame Sache mit dem nationalsozialistischen Staat gemacht – und schmiss daher, wenn es erlaubt ist, so kolloquial zu formulieren – mit Fußnoten und Zitaten nur so um sich. [12]

Ja, die ersten Ergebnisse der Forschungsarbeiten in der IAG „Zitat und Paraphrase“ berechtigen zu den schönsten Hoffnungen. Hier ist noch Großes zu erwarten.


Die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Zitat und Paraphrase“ ist also keineswegs insgesamt als pseudowissenschaftlich interessengeleitetes Unternehmen von Schavanisten zu sehen. Im Kern und an der Spitze ist sie dies jedoch sehr wohl. Markschies und seine engeren Mitstreiter haben ihre Möglichkeiten in der Fritz-Thyssen-Stiftung genutzt, um einen eilig zusammengeschusterten Antrag auf Forschungsgelder in eigener Sache durch(zu)winken zu lassen, haben mit einem gegenwärtigen Leiter des Cusanuswerks, einem früheren Leiter des Cusanuswerks und einem früheren Referenten des Cusanuswerks ihre Kerntruppe wirksam verstärkt und zugleich mit dem Tausendsassa Theisohn einen ebenso redebereiten wie irgendwie angesagten Kopf gewonnen, haben mit dem Wissenschaftsrat flugs die Kleinigkeit einer Tagung arrangiert, auf der Theisohn sein tendenziös Halbgedachtes präsentieren und approbieren lassen durfte.

Doch wie nun weiter? Ewig wird sich ja auch durch Erzählungen von klugen Tschechinnen und munteren Ostpreußinnen nicht verdecken lassen, dass man da eigentlich gar nicht recht zu forschen weiß. Auch Theisohn hat ja all sein Pulver schon verschossen. Vor allem aber dürfte das große Ziel, die Re-Installation der so wunderbar goldeselhaften Bundesministerin Schavan, mit den nach der Bundestagswahl veränderten Voraussetzungen einer Regierungsbildung erledigt sein. Das Hilfsbataillon der Cusanus-Leute mag auch angesichts des noch offenen Gerichtsverfahrens weiter treu zu Schavan und ihrer Sache stehen, gewiss auch etwaige weitere Instanzenwege mit ihr gehen wollen, doch für die IAG wird das kaum in gleicher Weise gelten.

Fritz hat also das Seinige bereits getan. Für Nikolaus könnte es dagegen auch weiterhin noch allerhand zu tun geben. Um eine schöne Bescherung – wenn es erlaubt ist, so kolloquial zu formulieren – handelt es sich in jedem Fall.

8 Antworten zu “Richtig zitieren mit Fritz und Nikolaus

  1. Interessant wer in dieser Gruppe aufeinander trifft. Honnefelder war übrigens schon in mind. einem früheren Fall Mitglied einer Untersuchungskommission (1990/91) gewesen:

    http://de.mmdoku.wikia.com/wiki/MMDoku/Dokumentation#Bericht_Str.C3.B6ker-Kommission_1991
    bzw.
    http://de.mmdoku.wikia.com/wiki/MMDoku/Dokumentation/1991/Bericht_Str%C3%B6ker-Kommission

    Zu jenem Fall und der Kommissionsentscheidung äußerten sich später auch Simon und Weingart – beide ziemlich eindeutig:
    http://de.mmdoku.wikia.com/wiki/MMDoku/Dokumentation#Simon_1997
    und Weingart: http://de.mmdoku.wikia.com/wiki/MMDoku/Dokumentation#Finetti.2FHimmelrath_1999

    • Es ist allmählich mal an der Zeit für eine Genealogie der wichtigen Plagiatsfälle nach 1945. Ich denke auch an einen Stammbaum zur Veranschaulichung, der müsste aber aufklappbar sein. Sonst reicht der Platz nicht. Die zweifache Causa Elisabeth Ströker wäre da ziemlich an zentraler Stelle unterzubringen. Bei den einzuzeichnenden Verbindungslinien müsste man sich auf das Notwendigste beschränken. Schließlich soll man ja noch was erkennen können.

  2. Hier schon mal ein paar nachahmenswerte Stammbäume, aber bitte nicht plagiieren…

  3. Im Mops-Block hat IAG-Mitglied Dieter Simon jetzt einen aufschlussreichen Kommentar zu den Diskussionen um die LMU-Hochschulrätin Schavan gebloggt. Simon geht es in erster Linie um die Verhältnisse an der Universität, die von ihrem Präsidenten Bernd Huber in Franz-Josef-Straußscher Manier regiert werde. Zum Entzug des Doktorgrades durch die Universität Düsseldorf merkt er an:

    „Das hat der Universität viel Schelte eingetragen, einmal von Schavan selbst, die nach wie vor von ihren Fähigkeiten überzeugt ist und zum anderen von Leuten, die die Sache zwar nicht überprüft hatten, aber ungeachtet dessen der Meinung waren, es sei – für wen auch immer – besser, den Zeigefinger in der Hosentasche zu lassen, statt auf den Schmutz zu deuten.“

    Simon wird ja wohl wissen, dass sein IAG-Sprecher Markschies in vorderster Linie zu diesen Leuten gehört, ebenso wie Honnefelder und andere Zitat-und-Paraphrasen-Mitstreiter. Markschies wird den Mops-Block kaum lesen. Wie ich Dieter Simon einschätze, ist es ihm ziemlich egal, was Markschies liest – von Honnefelder ganz zu schweigen.

    • Wie bitte? Der emeritierte Rechtshistoriker Dieter Simon meint, Markschies und Honnefelder hätten „die Sache zwar nicht überprüft“, aber „den Zeigefinger in der Hosentasche“ gelassen „statt auf den Schmutz zu deuten“? Das wäre aber schon eine etwas schiefe Deutung, denn:

      1. Markschies und Honnefelder (und andere Zitat-und-Paraphrase-Mitwirkende) haben natürlich Schavans Gewissen genau überprüft.
      2. Sie haben den Zeigefinger nicht in der Hosentasche gelassen.
      3. Sie haben auf den „Schmutz“ an der Universität Düsseldorf gedeutet und laut „Verbrecher“ geschrieen.

      Wer die Uni Düsseldorf mit „viel Schelte“ bedachte, hat offensichtlich den Zeigefinger nicht bedeckt gehalten. (Die Zeigefingermetaphorik ist recht gelungen, da selbiger bekanntlich stets zugleich auf den deutet, von dem er weg gerichtet ist.) Daher ist Dieter Simons Darstellung stark beschönigend oder verschleiernd. Man könnte glatt sagen: Er lässt den Zeigefinger in der Hosentasche, statt auf den Schmutz zu deuten.

      Noch zu einem anderen Aspekt des Mops-Block-Artikels: Er kritisiert Sebastian Krass von der Süddeutschen: „Zu tadeln ist jedoch sein Tadel an Huber.“ Denn LMU-Präsi Huber könne ja nichts dafür, dass das Land Bayern ihm unumschränkte Herrschaft nach Franz-Josef-Strauß-Manier ermögliche.

      Es stimmt zwar, dass es immer eine Institution weiter oben gibt, die man ersatzweise für das Versagen ihrer Vasallen verantwortlich machen kann. So kann man etwa Sebastian Krass, langjähriger Mitarbeiter der Sportredaktion der Süddeutschen Zeitung (Spezialgebiet: Tischtennis), nicht vorwerfen, dass er den Sack schlage, aber den Esel meine. Dafür muss man schon die Süddeutsche Zeitung verantwortlich machen, in der man nicht mirnichtsdirnichts die bayerische Hochschuverfassung als autoritär kritisieren darf. So muss sich Krass darauf beschränken, die Auswüchse der autoritären Herrschaft zu kritisieren, dabei aber ihren strukturellen Charakter unangetastet lassen. Felix Bavaria!

      Doch Dieter Simon spottet nur sanft über den endemischen Untertanengeist an der LMU, verzichtet aber darauf, die von Krass implizit vorausgesetzten Widersprüche zwischen autoritär-staatshöriger Hochschulsteuerung und freier, kritischer, kreativer Wissenschaft zu explizieren, wie sie an der LMU in diesem Fall (aber auch sonst allzu oft) zu Tage treten. Die Exzellenz der LMU beruht auf ihrer Bücklingspopulation. Einen solchen Satz sollte ein angesehener Wissenschaftsorganisator wie Simon erstmal wagen.

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