„Alle Not kommt vom Vergleichen“, meinte Søren Kierkegaard, und als Rechtsanwalt, der einen Eid auf die Gebührenordnung geschworen hat, wird man dem Philosophen hierin zustimmen. Dagegen kommt alle Not der Kläger und Beklagten oftmals gerade daher, dass sie sich nicht vergleichen, sondern ihre Sache immer weiter treiben. Das Fernsehsternchen Sarah Sophie Koch, einst angetreten als pädagogisch promovierte Zauberfee für allerlei Notlagen und zwischenzeitlich selbst in Nöten wegen eines entzogenen Doktorgrades, hat nun einen Vergleich mit der Universität Düsseldorf geschlossen.
So erzählt es Hugo Winkels, der Manager der Fernsehbekanntheit, und so weiß es auch die BILD:
Die attraktive Blondine […] musste um ihren Ruf als Wissenschaftlerin kämpfen. Jetzt endete der Prozess um ihren Doktor-Titel vorm Düsseldorfer Verwaltungsgericht mit einem Vergleich!
BILD, 23.9.2016
Einen solchen Vergleich musste die Wissenschaftlerin Sarah Sophie keinesfalls scheuen. Die Hochschule dagegen womöglich schon. Koch hatte gegen den Entzug des Doktorgrades wegen Plagiats geklagt,
weil sie laut ihrem Manager „sicher ist, dass sie nicht betrogen hat“. Dennoch blieb es dabei, dass die Heine-Uni ihr den Doktor-Titel nicht zurück gibt, ihr aber im Vergleich nun zubilligt, die strittigen Passagen nachzubessern – und es an einer anderen Uni neu zu versuchen.
BILD, 23.9.2016
Das ist ein für die Klägerin sehr viel günstigerer Ausgang, als es die Ausgangslage erwarten ließ. Denn dass es die Plagiate in der Doktorarbeit der Sarah Sophie Koch gibt, dürfte kaum zu bestreiten sein, und Verfahrensfehler der Universität waren offenbar nicht geltend zu machen. Dennoch gibt es nun kein Urteil, das die Entscheidung der Universität bestätigt, sondern einen Vergleich, in dem die Beklagte der Klägerin etwas „zubilligt“, so dass man sich vergleichen kann.
Klägerin und Beklagte sind einander also auf halbem Wege entgegen gekommen, und nun steht es im Kampf um den Ruf in der Wissenschaft irgendwie Unentschieden. Man fragt sich allerdings, was das denn für ein Vergleich sein soll: Denn wenn die Klägerin ihr Werk „nachbessert“ und dann an einer anderen Hochschule vorlegt, ist dies ohnehin nichts, was die Universität Düsseldorf ihr verwehren könnte. Und es ist folglich auch nichts, was sie ihr „zubilligen“ kann.
Es handelt sich um einen Vergleich, bei dem es nichts zu vergleichen gab und nur der Schein gewahrt bleiben sollte, um eine Beendigung des Rechtsstreits ohne Urteil möglich zu machen. Wenn Sarah Sophie Koch sich auf einen solchen Vergleich einlässt, ist das nur zu verständlich. Denn entscheidend ist allein seine mediale Verwertbarkeit: Die „TV-Pädagogin“ schafft sich weitere unangenehme und potentiell geschäftsschädigende Berichte über ihre Plagiatsaffäre vom Hals und kann sich jetzt ungestört ihrer neuen Serie „Liebesduell“ widmen, in der sie demnächst „den schönsten Heiratsantrag Deutschlands“ sucht.
Das Verfahren ist beendet. Es begann mit der Klage gegen die Entscheidung der Universität, den Doktorgrad wegen vorsätzlicher Täuschung abzuerkennen. Es endete mit einer Irreführung der Öffentlichkeit durch einen Vergleich, in dem die Beklagte ein Zugeständnis macht, das sie nicht machen kann, und die Klägerin ein Zugeständnis erreicht, das sie nicht braucht.
Dass diese Universität, die einen Fall Schavan ausgehalten hat, sich nun in einem viel weniger heiklen Fall auf solche Spielchen einlässt, ist kein Ruhmesblatt. Und es ist eine Einladung an den geneigten wissenschaftlichen Nachwuchs, auch plagiierend in Düsseldorf zu promovieren: Denn wenn man erwischt wird, kann man auf dem Klageweg zumindest mit dem Vergleich und einer halben Ehrenrettung sicher rechnen. Ein Gerichtsurteil, das die vorsätzliche Täuschung bestätigt, ist hier offenbar nicht mehr zu befürchten.
Gab es denn wirklich einen Vergleich? Vielleicht wurde auch die Klage einfach zurückgezogen und das ganze dann „Vergleich“ genannt? So behauptet das zumindest ein anonymer Forist im Vroniplag Wiki …
Richtig ist an den Behauptungen des Foristen, dass es keine gerichtliche Klärung gab und dass die Klage zurückgezogen wurde. Das ist ja der Zweck eines solchen Spiels: Man schließt einen Vergleich, der es der Klägerin dann erlaubt, sich aus der Affäre zu ziehen. Der Inhalt ist gleichgültig. Es kommt nur auf die Überschrift und auf die Unterschriften an. Das Gericht hat das Vorliegen eines Vergleichs nur noch zu Protokoll zu nehmen, womit das Verfahren beendet ist. Eine gerichtliche Prüfung des Vergleichs erfolgt nicht.
Durch den Abschluss eines Vergleichs soll eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden. Davon kann hier keine Rede sein. Wie sich der Abschluss dieses Vergleichs mit den verwaltungsrechtlichen Pflichten der beklagten Behörde (Universität) verträgt, darf offen bleiben.
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Ich empfehle zur weiteren Erhellung und Erklärung des von RA Bongartz dargestellten Vorgangs, der eigentlich nur noch weniger informierten Lesern recht sonderbar erscheinen mag, die Lektüre von zwei Artikeln aus der Feder des Wissenschaftsjournalisten Hermann Horstkotte, die schon aus dem Jahr 2014 stammen:
http://www.vdi-nachrichten.com/Management-Karriere/Aus-Jurist-spielend-leicht-Dr-Ing
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/plagiate-in-der-doktorarbeit-ruege-statt-titelentzug-a-966041.html
Aus diesen Berichten geht ziemlich klar und deutlich hervor, dass sich die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Dauer nicht zu Ausputzern von Versäumnissen und Fehlleistungen des akademischen Wissenschaftsbetriebs im eigenen Lande machen lassen will.
Die seit 2014 eingeschlagene und damit veränderte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechungspraxis zeigt außerdem an, dass die Verwaltungsgerichte in Deutschland auf Dauer nicht mehr auf Abruf als verlängerter Arm und willfährige Erfüllungsgehilfen zur Verteidigung eines Wissenschaftsideals bereit stehen, während das in der BRD noch immer hochgehaltene „wissenschaftliche Reinheitsgebot“ in Spanien, Oesterreich, Tschechien, Slowakei und anderswo in und außerhalb der EU, und zwar politisch gewollt, zumindest aber geduldet, durch Netzwerke organisierter Bandenkriminalität zur Begehung wissenschaftskrimineller Straftaten (Titelhandel) vorsätzlich und zielgerichtet untergraben und ausgehöhlt wird. Solange im ‚Deutschen Bundestag‘ ein gewählter Bundestagsabgeordneter (SPD) sitzen darf, der unbehelligt seinen „Doktor der Philosophie“ trägt, den er an der Comenius-Universität in Bratislawa erworben hat, ohne die dafür eigentlich erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen, nimmt mein Gerechtigkeitsempfinden an dem, was nun der „schönen Sarah Sophie“ zugestanden wird, überhaupt keinen Anstoß mehr.
Über den Abschluss eines solchen Vergleichs wurde ich jedenfalls nicht informiert, da nicht mehr mit irgendwelchen Amtsgeschäften befasst. Außer dem Motiv der Arbeitsvermeidung und demjenigen der allgemeinen Friedensliebe kann ich mir keine weiteren Gründe vorstellen, die für die Fakultät einen solchen Vergleich irgendwie als geboten erscheinen lassen könnten. Der damalige Fakultätsrat und der damalige Promotionsausschuss haben die Angelegenheit vielmehr gründlich geprüft. Einer Klärung durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil auszuweichen, bestand keine Veranlassung.
[Zur Person des Kommentators: Bruno Bleckmann, früherer Dekan der philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf, regelmäßigen wie gelegentlichen Lesern von Causa Schavan gewiss bestens vertraut. Ansonsten empfiehlt sich die Suchfunktion und dringend die Lektüre seines Abschlussberichts zum Fall Schavan. – Red.]
Der Fall ist von den seinerzeit in der Fakultät Verantwortlichen mit aller Mühe und Sorgfalt behandelt und in jeder Hinsicht gerichtsfest gestaltet worden. Die Klägerin hatte mit ihrer Klage wenig zu hoffen und die Hochschule nichts zu befürchten. Und nun wird ein solches Verfahren ohne jede Not und ohne allen Grund mit einem Vergleich beendet, der – ganz unabhängig von einer rechtlichen Würdigung – in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass hier beide Seiten einzulenken hatten: Eine direkte Aufforderung an alle Promotionsausschüsse und Fakultätsräte der Hochschule, ihre Arbeit auch weiterhin recht ernst zu nehmen und für Redlichkeit in der Wissenschaft nicht nur in schönen Sonntagsreden, sondern auch im Ernstfall einzustehen. Deprimierend.
[Auch dieser Kommentator ist regelmäßigen wie gelegentlichen Lesern von Causa Schavan wohlbekannt: Stefan Rohrbacher, früherer Prodekan der philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf und Gutachter im Fall Schavan. Die Suchfunktion kann auch hier bei der Auffrischung der Einzelheiten helfen. – Red.]
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Jetzt setzt sich auch Hermann Horstkotte auf Legal Tribune Online mit dem Fall auseinander und bietet weitere Einzelheiten. Besonders pikant seine Schilderung des öffentlichen Termins:
„Der Richter stellt einleitend klar, dass die Klage gegen die Rücknahme des Doktorhutes praktisch aussichtslos sei. Die Sitzung wird unterbrochen. Anschließend hält das Protokoll einen Prozessvergleich in wenigen Sätzen fest.“
Als sie sich auf einen Schein-Vergleich einließ, konnte dIe Prozessvertretung der beklagten Universität also überhaupt nicht im Unklaren darüber sein, dass das Gericht die Klage abgewiesen hätte.
Offenbar ist H. verschämter Causa-Schavan-Leser. Aber ein Blog ist nicht zitierfähig ist nicht zitierfähig ist nicht …
Leser Heißkräcker bezieht sich offenbar auf die Bleckmann+Rohrbacher-Zitate im LTO-Artikel, die die Autoren in diesem Blog platzierten. […]
[Die Redaktion hält es für völlig unproblematisch, dass diese oder ähnliche Leserkommentare nun auch an anderer Stelle auszugsweise wieder begegnen. Zur Vermeidung einer gerichtlichen Klärung bietet sich dessen ungeachtet ein Vergleich nach Düsseldorfer Muster an, wozu wir hier gerne unsere Bereitschaft erklären.]
Wie krass das Einlenken der HHU auf einen Vergleich ist, zeigt ein Gegenbeispiel an der Bergischen Universität Wuppertal: http://www.vdi-nachrichten.com/Management-Karriere/Aus-Jurist-spielend-leicht-Dr-Ing
Die Uni bot einen außergerichtlichen Vergleich an, nachdem das Gericht erklärt hatte, dass bei der Aberkennung des Dr.-Ing. die Fakultät ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe und die Klage dagegen mithin durchkomme.
Sehr geehrter Herr Horstkotte,
mich überrascht, dass Sie so tun, als wüßten Sie hinreichend genau darüber Bescheid, was sich im Vorfeld des Gerichtstermins, über den Sie in LTO berichten, zwischen den drei beteiligten Akteuren (Klägerin, Beklagte und VG-Kammer) tatsächlich getan hat, vor allem worüber dabei im Einzelnen nicht-öffentlich mit dem Ziel einer gütlichen Streitbelegung gesprochen worden ist. Oder wollen Sie auch weiterhin an der Mär festhalten, der Entschluß, einen Vergleich zum Zwecke einer außergerichtlichen Streitbeilegung zu schliessen, sei von den „Prozessvertretern“ der Klägerin und der Beklagten erst spontan in dem Moment getroffen worden, als der Richter im mündlichen Verhandlungstermin erklärte, dass die Klage praktisch aussichtslos sei? Für so naiv habe ich Sie eingedenk Ihrer sonst so vorzüglichen Berichterstattung in ähnlich gelagerten Fällen bisher eigentlich nicht gehalten!
Die HHU ist nicht „ohne Not“ eingeknickt und hat vorschnell kapituliert, sondern hat es verfahrensstrategisch vorgezogen, einen außergerichtlichen Vergleich anzustreben, um die eigene Philosophische Fakultät vor der Schmach zu bewahren, möglicherweise durch das „Kleingedruckte“ im zu erwartenden Gerichtsurteil gezwungen zu werden, eine nachgebesserte und überarbeitete Dissertation von Frau Sarah Sophie Koch in einem neuerlichen Promotionsverfahren als promotionswürdig anzunehmen und anzuerkennen. Das ergibt sich bereits aus den bisher bekannt gewordenen Details des ansonsten inhaltlich leider weithin unbekannten Vergleichs.
Wenn der Richter im mündlichen Termin darauf hinweist, dass die Klage kaum Aussicht auf Erfolg hat, lässt das nichts anderes als die Zurückweisung der Klage erwarten. Worin sich hier eine drohende Schmach der Fakultät im Kleingedruckten abgezeichnet haben soll, erschließt sich nicht unmittelbar. Unser treuer Leser Dr. Dammann zeigt hier selbst einigen Mut zur Spekulation. Zugleich zeigt sein Kommentar, welchen Eindruck das Vergleichs-Manöver in der Öffentlichkeit hervorruft.
Sehr geehrter Herr Dr. Dammann,
Sie unterstellen, ich täte so, als ob ich wüsste, was sich zwischen den Beteiligten „im Vorfeld“ des öffentlichen Gerichtstermins getan hat. Für diese Unterstellung gibt mein LTO-Art. keinen Anhalt. Er hält sich vielmehr an die Vorgänge im öffentlichen Termin. Woher Sie aus dem Hintergrund mehr wissen wollen, wüsste ich doch hier gerne von Ihnen. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mit Ihrem Namen nichts anzufangen weiß, vielleicht geben Sie uns Aufschluss über Ihre Funktion oder Position in dem Rechtsstreit. Dann ließen sich womöglich Ihre Darlegungen besser verstehen. Einstweilen gehe ich davon aus, dass Sie hier eine „Mär“ auftischen, um die Unileitung zu verteidigen und die Fakultät als schutzbedürftigen Kreis von Dummerjanen hinzustellen. Gehört das zu den uniinternen Auseinandersetzungen, die der Beobachter in den kommenden Wochen erwarten kann?
Ich gehe in der Tat davon aus, dass bei nüchterner Betrachtung des gesamten Vorgangs die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten rechtzeitig vor dem öffentlichen Gerichtstermin den Sach- und Streitstand in dieser Angelegenheit mit dem Vorsitzenden bzw. dem Berichterstatter der zuständigen Kammer des VG Düsseldorf nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 Pkt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gründlich und ausführlich erörtert haben, um ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber ihren Mandanten Genüge zu tun.
Ein solcher wie der hier in Rede stehende, rechtstechnisch komplexe und folgenschwere Vergleich wird nicht, wie uns die Herren Bongartz und Horstkotte weiszumachen versuchen, in einer Sitzungspause eines Gerichtstermins, und zwar zwischen Tür und Angel, zu Papier gebracht, sondern ist, wie sich aus den inzwischen bereits bekannt gewordenen Details erschließen lässt, für mich ganz offensichtlich von langer Hand vorbereitet worden. Denn dass die Klage abgewiesen wird, war ja von Anfang an mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Allerdings haben auch Verwaltungsgerichte den gesetzlichen Auftrag, zunächst einmal zu versuchen, zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits beizutragen (siehe: VwGO).
Wenn das so war, wovon ich ausgehe – denn alles andere wäre ein gravierender Verstoß gegen den Wortlaut und Sinn des Gesetzesauftrags – , haben die diesbezüglichen Einlassungen des VG in der Phase der Erörterung des Sach- und Streitstandes ganz offensichtlich die Bereitschaft der Klägerin wie auch der Beklagten befördert, ihren Rechtsstreit gütlich beizulegen, um im Vergleich nicht nur ihre jeweils spezifischen Interessen zu gewährleisten, sondern damit auch sonst beide Seiten in der Urteilsbegründung womöglich belastende Auflagen abzuwehren.
Vielleicht finden die Herren Bongartz und Horstkotte bei Gelegenheit einmal Zeit, einen aufmerksamen Blick in die Verwaltungsgerichtsordnung zu werfen. Dann müssten sie mir nicht solche irreführenden bzw. inquisitorischen Fragen stellen, sondern könnten zu einer sachangemessenen Klärung dieses in der Tat sehr überraschenden Vorgangs beitragen, was ich in den Darstellungen von RA Bongartz und Herrn Horstkotte bisher schmerzlich vermisse.
„… wie sich aus den inzwischen bereits bekannt gewordenen Details erschließen lässt, für mich ganz offensichtlich …“
Ihre Replik schlingert zwar ganz schön, werter Herr Dr. Dammann, zeugt aber immerhin von lebhaftem Vorstellungsvermögen. Wer nicht nur die Verwaltungsgerichtsordnung, sondern auch Verwaltungsgerichtssäle kennt, wird das alles aber etwas lebensfremd ausgedacht finden. In einem Fall, der für die Klägerin aussichtslos erscheint, wäre es schon sehr ungewöhnlich, wenn dennoch schon „von langer Hand“ ein Vergleich vorbereitet worden wäre.
Erheitern muss die Erhebung dieses Mumpitz-Vergleichs in den Stand eines rechtstechnisch komplexen Papiers. Erheitern muss auch die Entdeckung eines gesetzlichen Auftrags an das Verwaltungsgericht, zunächst auf gütliche Einigung hinzuwirken. Wenn Dr. Dammann hier auf die Verwaltungsgerichtsordnung verweist, dann kann das seine Erklärung eigentlich nur in einer falschen Auffassung von § 87 VwGO finden. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht für eine Beendigung des Verfahrens durch Vergleich in jeder Verfahrensphase offen. Eine Verpflichtung, in jedem Fall und unabhängig vom Sach- und Streitstand auf einen Vergleich hinzuwirken, besteht für das Gericht jedoch nicht.
Der Versuch, die Verwaltungsgerichtsordnung nachträglich als Drehbuch für ein konkretes Verfahren zu lesen, muss im Düsseldorfer Fall übrigens schon an § 106 VwGO scheitern:
„Um den Rechtsstreit vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können.“
Genau dies war vorliegend aber nicht gegeben: Die Beteiligten haben einen Vergleich geschlossen, über dessen Gegenstand sie nicht verfügen konnten.
Herrn Dr. Dammann ist für seinen Kommentar nur zu danken. In der Tat hat das Verwaltungsgericht allgemein gesetzlichen Auftrag die gütliche Einigung herbeizuführen. Generell ist die Zivilprozessordnung über die Verwaltungsgerichtsordnung gestellt.
Diese „generelle“ Vermutung knüpft offenkundig an § 173 VwGO an:
„Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen.“
Voraussetzung für die Anwendung von Regelungen der ZPO ist also nach § 173 VwGO a) das Vorliegen einer Regelungslücke in der VwGO und b) die Vergleichbarkeit der zivilgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrensarten. Dazu schon Stefan Auer, Inhalt, Grenzen und Reichweite der Verweisung in § 173 VwGO, München 1993, und neuerdings Jakob Nolte, Die Eigenart des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Grund und Grenzen der Anwendung des Zivilprozessrechts im Verwaltungsprozess, Tübingen 2015.
Gegenüber dem Zivilrecht ergeben sich im Verwaltungsrecht deutlich eingeschränkte Möglichkeiten, das Verfahren durch Vergleich zu beenden. Dies ergibt sich bereits aus der Bindung der Verwaltung an den Rechtsstaat, von der sie auch durch Prozessvergleich nicht freigestellt wird. § 106 VwGO setzt daher die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis über den Gegenstand des Vergleichs voraus.
Durch einen Vergleich wird eine bestehende Unsicherheit über die Sach- oder Rechtslage durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt. Wie ein Kommentar zum Düsseldorfer Vorgang lesen sich nun die Ausführungen bei Nolte, der S. 153 die einschlägige Rechtsprechung und Kommentierung zusammenfasst:
„Wegen der Verantwortung des Gerichts für die Aufklärung des Sachverhalts genügt für eine Ungewissheit über die Sachlage anders als im Zivilprozess nicht die Ungewissheit einer oder beider Parteien. Stattdessen muss objektiv ein Zustand vorliegen, der nur mit unverhältnismäßigem Aufwand geklärt werden könnte. Wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung darf auch eine Ungewissheit der Rechtslage nicht bereits dann angenommen werden, wenn die Parteien es gerade nicht besser wissen, sondern sie liegt vor, wenn die Anwendbarkeit oder Auslegung der entscheidungserheblichen Rechtsnorm tatsächlich umstritten ist und eine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt. Erst recht genügt es nicht, dass unterschiedliche Ansichten zur Sach- oder Rechtslage geäußert werden, oder bloß die Tatsache, dass jeder gerichtlichen Auseinandersetzung ein Prozessrisiko innewohnt. … Ein Vergleich darf nicht dazu führen, dass es vor Gericht zu einem ‚Kuhhandel‘ kommt, bei dem der Bürger in einem Aspekt und die Behörde in einem anderen Aspekt auf Kosten der Rechtsverwirklichung Zugeständnisse machen.“
@ Ach ja?: Vielen Dank für diese aufmunternden Worte aus fachkundigem Mund. Das tut gut !
Erheiternde Dammanniana gibt es neuerdings in den Kommentaren bei Legal Tribune Online.
Besten Dank für diese Promotion, werter Herr RA Bongartz. Wenn Sie in diesen Diskurs nun selbstreferentielle Bezüge einführen, möchte ich nicht nachstehen und im Gegenzug auf den aus anderer Feder stammenden Beitrag „Holt sich die Uni Oldenburg Rektor Piper?“ hinweisen, der am 8. März 2015 bei ‚erbloggtes‘ erschienen ist:
https://erbloggtes.wordpress.com/2015/03/08/holt-sich-die-uni-oldenburg-rektor-piper/
Zusammen mit den dazu abgegebenen Kommentaren erhellt er den Bezugsrahmen und fördert das Verständnis dessen, was ich jetzt bei LTO umrissen und kurz ausgeführt habe.
Es war schon bisher haarsträubend und es wird noch immer haarsträubender. Ist „Dr. Dammann“ vielleicht ein Satire-Account?
[Nach unserer Kenntnis handelt es sich nicht um einen Satire-Account. Unabhängig davon würden wir diese Art der Diskussion hiermit nun gerne beendet sehen. – red.]