Freundschaft mit Kniff

Dieter Simon, ehemaliger Präsident des Wissenschaftsrates wie auch der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und dort gegenwärtig Mitglied der Interdisziplinären Arbeitsgruppe „Zitat und Paraphrase“, hat jetzt im Mops-Block erklärt, warum er seinem Freund Christoph Markschies weiterhin in Freundschaft verbunden ist. In dieser Verbundenheit sah er sich durch die Rolle angefochten, die wir Markschies und der von ihm geleiteten IAG in der Causa Schavan zuschreiben. Im dreistündigen Gespräch hat ihm sein Freund versichert, unser IAG-Zitat-und Paraphrase-Text sei „geschickt, aber falsch“. Nach weiteren gründlichen Überlegungen und Nachforschungen kommt auch Simon selbst zu diesem sicheren Schluss.

„Geschickt“ bedeutet: Manipulativ. Es handelt sich bei unserer Darstellung also um einen Kniff. Eine Irreführung. Auch über den verstörenden Abschlussbericht des Düsseldorfer Dekans Bleckmann fällt Simon ein solches „Endurteil“:

Schlecht gelesen, schief kombiniert, leicht geglaubt, schnell gefolgert, keck projiziert, kühn propagiert. [1]

Allerdings gilt dieses „Endurteil“ nur, soweit es Markschies und die IAG betrifft. Ansonsten hält Simon diesen Bericht nach wie vor für richtig und wichtig. Und auch uns stimmt er in vielem durchaus zu. Nur eben bei Freund Markschies: Da liegen wir völlig daneben. Schlimmer noch: Wir haben es geschickt gemacht.

Es ist Dieter Simon zunächst einmal hoch anzurechnen, dass er sich der Anfechtung stellt und die Klärung in der Sache sucht. Und soweit es sich hier um Freundschaftsdinge handelt, haben wir uns dazu nicht zu äußern. Nur zwei Punkte wollen wir nicht auf sich beruhen lassen: Dass Simon behauptet, besser zu wissen als wir, ob er katholisch ist oder jemals katholisch war. Und dass wir uns jetzt einfach nochmal drei Stunden lang vor den Computer setzen sollen. Da spielen wir nicht mit.

Exponierte Positionen: Wer katholisch ist

Was den katholischen Dieter Simon angeht: Hier haben wir uns geirrt. Sagt Dieter Simon. Und es ist ja nicht einfach ein Irrtum, dass wir Dieter Simon, der niemals katholisch war, zum Katholiken erklären. Denn wir erklären auf diese Weise ja Hintergrund und Bedeutung seiner Mitwirkung in der IAG „Zitat und Paraphrase“. Sagt Dieter Simon. In der von Verschwörungsphantasien erfüllten Welt der pseudonymen Bloggerin Simone G. macht ein IAG-Mitglied Dieter Simon eben nur katholisch verschwörerischen Sinn:

Simone konnte sich so recht keinen Grund für meine Mitgliedschaft in der Kommission erphantasieren und musste sich mit meiner Versetzung in den Katholizismus behelfen. [1]

Doch wer sich hier irrt, und zwar an entscheidender Stelle, ist Dieter Simon. Tatsächlich verkehrt er unsere Argumentation hier in ihr Gegenteil: Denn in unserem Text haben wir zunächst am Beispiel von Rainer Maria Kiesow erklärt, dass auch eine deutliche Verbindung zum Cusanuswerk aus einem IAG-Mitglied noch lange keinen katholischen Aktivisten und Cusanussöldner in Plagiatsgefechten macht, und wenden uns nun Dieter Simon zu,

der in einschlägig interessierter Literatur durchaus schon mal als prominentes Beispiel für den Aufstieg von Katholiken in exponierte Positionen im deutschen Wissenschaftsbetrieb herhalten durfte. [2]

Eben: Herhalten durfte. Ob er allerdings tatsächlich katholisch ist oder nicht, hat für unsere Fragen ebenso wenig Erkenntniswert wie die bl0ße Feststellung einer Affinität zum Cusanuswerk im Fall von Kiesow: Keinen. Unsere weitere Charakterisierung des Kopfes, der Dieter Simon ist, dürfte das bei unbefangener Lektüre nochmals deutlich machen. Bei uns darf Dieter Simon nämlich als prominentes Beispiel dafür herhalten, wie wenig sich im Zweifel mit undifferenziertem Verschwörungsdenken ausrichten lässt.

Kleiner Exkurs: Dein Präsident, das unbekannte Wesen

Wir haben bisher nicht angegeben, wo Dieter Simon in einschlägig interessierter Literatur als prominenter Katholik verbucht wird. Das holen wir jetzt gerne nach.

Dieter Simon war von 1995 bis 2005 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Am 25. Januar 2005 lauschte man in der BBAW einer Akademievorlesung mit dem Titel „Abschied von den Eliten“. Sie wurde gehalten von dem langjährigen BBAW-Mitglied Karl Ulrich Mayer, dem späteren Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft. Gedruckt erschien diese Akademievorlesung 2006 in Bd. 11 der Berichte und Abhandlungen der BBAW. In einer Anmerkung teilt der Soziologe Mayer seine Beobachtungen zum „weitgehend unsichtbaren und wenig beachteten Aufstieg der Katholiken in die deutschen Eliten“ mit:

Nicht zuletzt unter den Wissenschaftseliten haben sich Katholiken weit vorgeschoben, wie z.B. Dieter Simon, Hans Zacher, Hubert Markl, Wolfgang Frühwald. [3]

So stand’s zu lesen in den Berichten und Abhandlungen des Hauses, dessen Präsident Dieter Simon soeben noch gewesen war. Und so steht es seither auch zu lesen in dem Sammelband Deutschlands Eliten im Wandel, herausgegeben von BBAW-Mitglied Herfried Münkler und den damaligen BBAW-Mitarbeitern Matthias Bohlender und Grit Straßenberger. Das ist doch hübsch. Man sieht: Da kann man einander noch so lang und häufig über den Weg laufen, in Akademien und Wissenschaftsräten, und ist dem anderen am Ende doch stets sehr katholisch vorgekommen. Und als Katholik war man ja auch wirklich sehr weit vorgeschoben.

Noch’n Exkurs

Als einfacher Ehrenkatholik ist Dieter Simon noch glimpflich davongekommen. Dagegen wurde der Leipziger Altgermanist Theodor Frings 1951 von seinem Akademiedirektor bei der DDR-Vorgängerin der BBAW, der Deutschen Akademie der Wissenschaften, umstandslos zum „Bruder des Kölner Erzbischofs“ gemacht, um ihn gegenüber dem ZK der SED als besonders regierungstreu darzustellen. So berichten es Peter Thomas Walther und Peter Nötzoldt in einem 1998 von Dieter Simon verantworteten Heft der BBAW-Zeitschrift Gegenworte über „Lug und Trug in den Wissenschaften“:

Dabei stellte er Frings in einen familiären Kontext, der nicht stimmte. Frings dementierte dieses jedoch nie, der falsche Ruhm schien ihm zu gefallen. Zwar hatte er entfernte Verwandte im Rheinland, […] der Kardinal als Bruder war aber wie von Zauberhand in die Unterlagen von Frings gekommen und wurde bis in die 80er Jahre in der Akademie kolportiert. Frings‘ „Unantastbarkeit“ ist es sicherlich mit zu verdanken, daß er aus der Deutschen Kommission an der Akademie mit dem Institut für Deutsche Sprache und Literatur ein germanistisches Imperium aufbauen konnte. Nicht zu vergessen, daß Frings sämtliche öffentlichen Rituale, die die Verbundenheit von Wissenschaft, Partei und Staat repräsentierten, mitmachte, wenn nicht sogar übertrieb. [4]

Wie von Zauberhand ist wohl auch der vorgeschobene Katholizismus in die Unterlagen von Simon gekommen, die der sorgfältige Soziologe Karl Ulrich Mayer in der Akademie eingesehen haben wird, bevor er deren Präsidenten in einer Reihe prominenter Katholiken den ersten Platz zuwies.

Wir sind es nicht gewesen. Wir haben den Taufschein und den Mitgliedsausweis vom Cartellverband da nicht hineingelegt. Bitte keine Verschwörungsphantasien.

Faulheit vor dem Freund

So weit, so schlecht gelesen. Das Weitere finden wir dann allerdings nicht mehr ganz so heiter. Denn Dieter Simon unterlässt es, uns zu sagen, wo wir in die Irre gehen, oder wenigstens unsere Leser davor zu warnen, wie wir in die Irre führen. Auch zu seinem abschätzigen „Endurteil“ über den Markschies-Part des Abschlussberichts von Dekan Bleckmann sagt er nur:

Was ich jetzt hier dokumentieren könnte, wozu ich aber zu faul bin. Wer’s nicht glaubt, soll sich einfach drei Stunden vor den Computer setzen. [1]

Und genau an dieser Stelle glauben wir Dieter Simon nicht. Diese einfachen drei Stunden vor dem Computer nehmen wir ihm nicht ab. In Sachen Schavan und Markschies gibt es sehr wohl einiges, was man recht einfach in drei Stunden vor dem Computer erfahren kann. Bedrückendes. Und nicht nur wir, sondern auch Erbloggtes und andere Blogger waren nicht zu faul, um es präzise und nachvollziehbar zu dokumentieren. Auch das, wofür man mehr als nur drei Stunden braucht. Wenn Simon sich dem nicht stellen mag, dann ist das seine Sache. Wie er hier aber ausweicht in die Faulheit vor dem Freund, und dabei zugleich mit dem Finger auf andere zeigt: Das ist nur ein Kniff. Wenn auch nicht geschickt gemacht.

Nachbemerkung: Heile, heile Gänschen

Nebenher gibt Simons Bericht über seine Verstörung und sein Bemühen um Klärung einige Einblicke in das Innenleben der Akademie. Kaum überraschende allerdings. Nett ist jedoch ein Nebenergebnis des Bemühens, weitere Vorschläge für die Entfaltung verschwörungsphantastischer Tableaus zu unterbreiten:

Warum z.B. – um mich aufs Nächstliegende zu beschränken – Markschies nicht porträtieren als willigen Vollstrecker eines präsidialen Ukas von Günter Stock, der doch, wie man weithin vernimmt, nicht unbeträchtliche Anstrengung unternahm, um die gerichtlich geschlagenen Wunden der Fremdschämerin zu heilen? [1]

Ja, das ist weithin zu vernehmen gewesen. Simon bestätigt das vielfach Vernommene: Ganz und gar nicht unbeträchtliche Anstrengung unternahm der amtierende Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Günter Stock, um die Wunden der Annette Schavan zu heilen. Weithin zu vernehmen ist nämlich: Die Leibniz-Medaille sollte sie bekommen. Vielfach zu vernehmen ist auch, wer neben Stock als besonderer Befürworter solch demonstrativer Wundheilung hervorgetreten ist: BBAW-Mitglied Joachim Sauer. Der Gatte von Kanzlerin Angela Merkel.

Das ist dann wieder mal so blöd, dass man es sich gar nicht ausdenken mag.

Gegenworte: Freundschaft

Vielleicht ist alles aber auch ganz anders. Vielleicht ist Dieter Simon seinem Freund Christoph Markschies einfach nur ein noch viel besserer Freund, als er offen zeigen mag. Vielleicht will sein Bericht ja in Wahrheit zuallererst von Freund Markschies gelesen werden. Dem er recht eindringlich sagt, wie schwierig und oft unbestimmbar und leicht störbar das ist mit der Freundschaft. Und alles, was er zum zarten Band der Freundschaft zu sagen hat, ist ja gehörig vieldeutig und doppelbödig. Und dann schreibt er ihm nochmal auf, was er ihm in drei Stunden des Gesprächs wohl schon zu sagen hatte: Dass es ja wohl nicht angehen kann, dass man mitwirkt daran,

den Schatten, der auf das bekannte fromme Gesicht gefallen ist, wieder aufzuhellen und echt wissenschaftlich zu leisten, was den Granden der Wissenschaftsorganisationen trotz tollkühner Rabulistik nicht gelingen mochte: das nachgewiesene Plagiat aus der Welt zu diskutieren […]. [1]

Dass Christoph Markschies, dieser Freund und helle Kopf mit Neigung zu allerlei Spiel, sich ja wohl nicht ernsthaft weiterhin einlassen wird auf eine

Verteidigung einer erzkatholischen, miserablen Dissertantin und neuerdings Studentin ohne Abschluss […] [1]

Dass man sich für dergleichen keinesfalls missbrauchen lassen wird, als „Feigenblatt und Legitimationshansel“. Oder hat Freund Markschies wirklich geglaubt, dass man sich beiordnen lassen würde

dem wüsten Haufen der kopfmässig doch überwiegend eher schlichten Düsseldorfbeschimpfer und Justizverächter, der Wissenschaftspriester und Verfahrenspolizisten, die VIER Augen brauchen, um ein fehlendes Anführungszeichen ausfindig zu machen und DREI Gutachten, um zu sehen, dass ein Satz sich von einem anderen nicht unterscheidet? [1]

Wie Markschies die Gründung der IAG in der Kampfzeit der Annette Schavan öffentlich verkauft und wie er öffentlich über diese Doktorarbeit geredet hat [5] – man muss davon nichts mehr wissen. Diese ganzen Faxen, die da veranstaltet wurden bisher: Vorbei. Der IAG-Antrag als Munition für Schavans Anwälte, die Vorstellung von IAG-Resultaten im Wissenschaftsrat als Schavan-Apologie im laufenden Verfahren – so richtig hat man das alles gar nicht mitbekommen. Jetzt aber hat man ein Gespräch geführt.

Ja, diesen Dieter Simon möchte man kennen. Einen solchen Freund hat man immer am nötigsten: Der einem sagt, wo man in die Irre geht.

7 Antworten zu “Freundschaft mit Kniff

  1. Über Dieter Simon in der IAG gab es im November 2013 schon mal hier und hier schöne Kommentare.

  2. Dr. Hans-Joachim Friedrich

    Wie, der Gatte der Bundeskanzlerin hat sich persönlich dafür eingesetzt, dass Schavan die Leibniz-Medaille bekommen soll? Da zeigt sich einmal mehr, wie man in Deutschland höchste wissenschaftliche Auszeichnungen verdient. Hut ab, Frau Botschafterin!

  3. Als im Mai oder Juni 2012 der Versuch unternommen wurde, den Vorwürfen gegen Schavan mit einer Mahnschrift voll verlogenem Altherrenschwulst zu begegnen, war ich überrascht, dass dafür neben Honnefelder, Frühwald, Winnacker auch Markschies seinen Namen hergegeben hat. Ich konnte mir darauf gar keinen Reim machen. Er schien in der Reihe der Unterzeichner völlig aus dem Rahmen zu fallen. Ich finde seinen Fall ganz besonders bedauerlich, aber ein Reim darauf fehlt mir noch immer.

  4. Müsste die Zwischenüberschrift nicht vollständig so lauten: „Heile, heile Gänsefüßchen“?

  5. Anja Kühne berichtet heute im Tagesspiegel über Bemühungen, Schavan wissenschaftlich zu rehabilitieren. Nett ist vor allem dreierlei:

    Erstens: Kühne lüftet unsere Geheimnisse von Berlin. Tatsächlich wurde damals in der BBAW im geschlossenen Kreis der Geburtstag des Akademiepräsidenten Stock gefeiert, und Schavan hielt die Festrede.

    Zweitens: Kühne berichtet über die Pläne, Schavan mit der Leibniz-Medaille zu ehren, dass es im Frühjahr eine Jurysitzung gegeben habe. Drei von vier Juroren hätten auf der Ehrung für Schavan „bestanden“, das vierte Mitglied habe sich verweigert. Kühne weiß auch, wer neben Stock und Sauer der Dritte im Bunde war: Christoph Markschies!

    Drittens: Die Festschrift! Was unser A.M. Schnierl auf Schavans Abschiedsfeier so nebenher erlauscht hatte, scheint sich zu bestätigen: „An einer großen Universität“ wird an einer Festschrift „mit Beiträgen bekannter Wissenschaftler“ zu Schavans 60. Geburtstag gewerkelt.

    Es haben sich eben immer noch nicht alle ausreichend blamiert.

  6. Nun reicht es mal langsam mit den Verleumdungen meiner Person: Ich habe selbstverständlich nicht auf einer Ehrung durch die BBAW für Frau Schavan „bestanden“, sondern im Gegenteil allen, die das wollten, davon abgeraten und weise dieses Gerücht mit allem Nachdruck zurück. Seit wann besteht eigentlich Wissenschaftsjournalismus aus Weitertratschen von Gerüchten?

  7. Dr. Hans-Joachim Friedrich

    Warum soll Frau Schavan eigentlich die Leibniz-Medaille der BBAW bekommen? Und warum ist Herr Markschies nach eigener Aussage der einzige von vier Juroren (darunter der Ehemann der Bundeskanzlerin), welcher diese Ehrung ablehnt?
    Bald wissen wir mehr! Namhafte Wissenschaftler bereiten gerade eine Festschrift zum 60. Geburtstag unserer begnadeten Denkerin vor. Offensichtlich haben sie in ihrer Dissertation Weisheiten entdeckt, die bisher noch kein Gelehrter des 20. und 21. Jahrhunderts in dieser Gründlichkeit abgeschrieben hat!

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