Wurzelbehandlung in der Grauzone: Die Wissenschaft schafft das Plagiat ab

Jetzt also wird das Übel an der Wurzel gepackt: In konzertierter Aktion machen die großen Wissenschaftsorganisationen dem Plagiat den Garaus. [1, 2] Es macht Sinn, dass der bevorstehende Kreuzzug für die wissenschaftliche Redlichkeit durch Horst Hippler ausgerufen wird, den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, der im Fall Schavan durch besonders massives Agieren im Hintergrund aufgefallen ist und dabei hervorragende Proben wissenschaftlicher Redlichkeit abgegeben hat. Er kündigt nun weitere Großveranstaltungen im Stil jener Tagung des Wissenschaftsrates vom Juli 2013 an, deren Hauptredner Philipp Theisohn den Rechtsanwälten der zurückgetretenen Ministerin in ihrem Rechtsstreit mit der Universität Düsseldorf unmittelbar zugearbeitet hat.

Doktor SchavanDurch „bessere Betreuung von Doktoranden, neue Promotionsordnungen und die Verdachts-Kontrolle durch Ombudsleute an Hochschulen“ soll das Plagiat wirksam bekämpft werden. [1] Ja, so wird’s was. Denn wenn die lieben Kleinen auf dem Weg zur Promotion arglistig täuschen, dann hat es natürlich an der mangelhaften Betreuung gelegen. Die von Hippler freudig bemerkte „Welle von Novellierungen der Promotionsordnungen“ aber, zu der es unter dem Druck der Stimmungsmache führender Wissenschaftsfunktionäre seit der Zeit des Schavan-Skandals gekommen ist, zielt vor allem auf eine Verlagerung der Zuständigkeiten in den Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades: Weg von den Fakultäten, hin zu Ombudsleuten, Kommissionen für gute wissenschaftliche Praxis und externen Gutachtern.

Dass ausgerechnet der Ombudsmann der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Löwer, dagegen immer wieder an die rechtlich normierte Zuständigkeit der Fakultäten erinnert und auch die Mitwirkung auswärtiger Gutachter entschieden abgelehnt hat, [2] ignoriert nicht nur die HRK. Die Generalsekretärin der DFG, Dorothee Dzwonnek, verweist auf das „Netzwerk der Ombudsleute an den Hochschulen“, die inzwischen als Ansprechpartner bei Verdachtsfällen „in den Rektoraten der Hochschulen ganz anders wahrgenommen“ würden. Dzwonnek behauptet auch, die DFG habe die „Schulung“ dieser Ombudsleute gefördert. [1] Von einer Schulung der Ombudsleute in Fragen der Plagiatserkennung und -bewertung durch die DFG kann aber gar keine Rede sein.

Nebenbei nutzt die Generalsekretärin die Gelegenheit, um noch einmal zu verdeutlichen, wo aus Sicht der DFG-Spitze die Verantwortung für das Desaster der Annette Schavan zu suchen ist: Die DFG setze

auf „eine gute und seriöse Betreuung, die verhindert, dass der wissenschaftliche Nachwuchs alleingelassen wird“. So könne auch Fällen „in einer Grauzone“ wie dem der Ex-Ministerin Schavan vorgebeugt werden. [1]

Dass das angebliche Grauzonenplagiat der ehemaligen Ministerin längst nicht mehr nur auf schavanplag öffentlich und mit viel Farbe zu besichtigen ist, sondern nach dem entschiedenen Urteil der Fakultät auch durch das Verwaltungsgericht Düsseldorf nach eingehender Prüfung als zweifelsfreier und gravierender Fall arglistiger Täuschung eingestuft wurde, wird in den Chefetagen der Wissenschaftsorganisationen nach wie vor nicht zur Kenntnis genommen.

Wenn man das Problem der Plagiate aus der Welt schaffen will, dann ist dies allerdings wohl tatsächlich der einzig richtige Weg: Vom Fall des Außenministers Frank-Walter Steinmeier, dessen großzügige Anleihen aus den Werken anderer an der Universität Gießen keinen Irrtum über die tatsächliche Urheberschaft dieser ausgedehnten Passagen erregt haben, spricht schon längst niemand mehr. Der Plagiatsvorwurf gegen den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, den die Ruhruniversität Bochum für erledigt erklärte, nachdem der Potsdamer Sozialhistoriker Jürgen Kocka in rekordverdächtig kurzer Zeit ein externes Gutachten abgefasst hatte, ist gleichfalls längst vergessen. Geeignete externe Gutachter werden sich auch für weitere Fälle der A-Prominenz sicher leicht finden lassen, und genügend Ombudsleute, die mit der Aufdeckung von Plagiaten heillos überfordert sind, dürfte es auch geben. Und von der entschiedenen Ausweitung der Grauzone profitieren auch die weniger Prominenten, für deren Kalamitäten sich ein Jürgen Kocka wohl nicht interessieren würde. Hier zeigt sich der Präzedenzfall der Annette Schavan, die ihren Kampf der Wissenschaft schuldig war, ganz allgemein als segensreich: Denn so ziemlich allen Plagiatoren außer Karl-Theodor zu Guttenberg und einigen Medizinern dürfte der Nachweis mühelos gelingen, dass sie ihr persönliches Plagiat auf demselben Gelände gebaut haben wie einst die Ministerin. Wenn dieses Gelände nun insgesamt als „Grauzone“ ausgewiesen wird, so verringert sich das Plagiatsproblem im deutschen Wissenschaftsbetrieb gleich sehr erheblich.

Mit Zuversicht darf man also auf die „breit angelegte“ Stellungnahme warten, die der Präsident des Wissenschaftsrates, Manfred Prenzel, für das Frühjahr angekündigt hat. Und wenn alles planmäßig vonstattengeht, dann wird man in Deutschland wohl bald im Zustand der totalen Plagiatsfreiheit sein. Steinmeier, Lammert und nicht zuletzt Schavan haben diesen Zustand bereits vorbildhaft erreicht.

3 Antworten zu “Wurzelbehandlung in der Grauzone: Die Wissenschaft schafft das Plagiat ab

  1. danke, sehr verdienstvoll, wie die gesamte arbeit in diesem blog. das einzige, was ich immer noch gern hinzufügen würde: es klingt manchmal so, als gehe es darum, zurückzukehren zu den guten alten regeln des „Ehrbaren Kaufmanns“, also hier: „Professors“.

    aber wenn ich das richtig verstehe, waren die ganzen „bürgerlichen“ wissenschaften (von medizin und jura bis zu meinen „geisteswissenschaften“) ja immer eine doppelbödige veranstaltung: es war ja unter der hand immer klar, was in bestimmten oberseminaren passierte. und die „redliche wissenschaft“ war eben immer nur sache von ein paar nützlichen idioten, in der regel aufsteiger, die die ungeschriebenen regeln noch nicht kannten und irgendwo an der peripherie oder im prekären mittelbau landeten.

    es ginge also nicht um die restauration, sondern um die neugründung der universität. was immer auch ihre aufgabe und ihre form in der anbrechenden digitalen ära sein mag. man könnte mit der abschaffung der promotion, und bei der gelegenheit auch gleich der professur, anfangen.

    • Ja, wir navigieren hier wohl eher noch zwischen Ist- und Soll-Zuständen als in Richtung radikale Utopie. An Neuerfindungsmangel leidet der Wissenschaftsbetrieb ja auch nicht gerade. Es führt nur regelmäßig nirgendwoanders hin als von einer Neuerfindungsrunde zur nächsten, und in Wahrheit dient das alles nur der Disziplinierung und Mangelverwaltung. Aber das sind schon so altbekannte Klagen, dass sie langweilig wirken.

      Der Fall Schavan zeigt übrigens, dass die „ungeschriebenen Regeln“ eben doch nicht allgemein anerkannt sind. Wahrscheinlich erklärt sich ja die geballte Wut der Funktionärskaste gerade durch die krasse Zuwiderhandlung einer Fakultät, noch dazu mit Unterstützung ihrer Universitätsleitung. Dass sowas überhaupt möglich war, ist für diese Funktionäre unerhört. Da gibt es also noch echte Problemzonen, denen jetzt zu Leibe gerückt werden soll.

      Vielleicht werden solche Problemzonen des Wissenschaftsbetriebs ja demnächst exkommuniziert, oder sie erklären sich für exterritorial, und dann könnte man da mit dem Neuaufbau anfangen …

  2. Dr. Hans-Joachim Friedrich

    Wer sagt’s denn. Was die Botschafterin und Exministerin jetzt braucht, ist „eine seriöse Beratung“. Die DFG wird sich nicht lumpen lassen und sich um eine erneute Überprüfung ihrer Dissertation bemühen. Dr. Steinmeier und Dr. Lammert haben ja bereits in ihrer eigenen wissenschaftlichen Karriere gute Erfahrungen gemacht und wissen, wer da als zuverlässiger Gutachter in Frage kommt. Viel Glück, Frau Botschafterin!!!

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