Schöne neue Altweltaffen: Das Große Lausen von Münster

Der Javaneraffe gehört zur Familie der Makaken, also zur Verwandtschaft jener Meerkatzen, die einst Till Eulenspiegel seinem biederen Bäckermeister massenweise in den Backofen schob. Keine Eulenspiegelei war dagegen, was Macaca fascicularis nun an der medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster widerfuhr. Im Dienst an der Wissenschaft wurde ihm dort tief ins Affenauge geblickt. Es galt, die Ganglienzellen der Netzhaut zu untersuchen. Die Resultate dieser Untersuchung wurden als Dissertation angenommen. Tag der mündlichen Prüfung war der 18. Mai 2010.

Doktorvater war Professor Dr. Dr. Th., der im September 2009 bereits einen anderen Kandidaten mit einer Studie zur Netzhaut des Neuweltaffen Callithrix jacchus zum Promotionserfolg geführt hatte. Die Ergebnisse dieser Forschungen am brasilianischen Weißbüschelaffen fanden sich nun durch die Untersuchung der Retina des Makaken aus Fernost vollauf bestätigt. Es ergab sich eine derart verblüffende Übereinstimmung zwischen den Affennetzhäuten aus der Alten und der Neuen Welt, dass sie schlechterdings nicht zu unterscheiden waren. Und so folgt die Javaneraffenarbeit nach Feststellungen des VroniPlag Wiki auf stolzen 61 ihrer 61 Textseiten (100%) weitgehend, sehr oft auch vollständig, der Dissertation über Callithrix jacchus.

VroniPlag Wiki: Alte Welt (links) und Neue Welt (rechts)

Prof. Dr. Dr. Th. ist dies nicht aufgefallen. Schließlich war seit der Promotion des Weißbüschelaffenfachmanns bereits mehr als ein halbes Jahr ins Münsterland gegangen. Und falls der plagiierte Affenretinaexperte Nr. 1 (Neue Welt) bemerkt haben sollte, dass die Früchte seiner Arbeit von dem Affenretinaexperten Nr. 2 (Alte Welt) erneut recht vollständig gepflückt und in’s eigene Körbchen gelegt worden sind, so hatte er allen Grund zu schweigen. Denn auch die Weißbüschelaffendissertation kann ihrerseits mit einer sehr erheblichen Plagiatsrate aufwarten: Für immerhin 51 der 54 Textseiten (94%) verzeichnet VroniPlag Wiki Plagiatsfunde. Auch in diesem Fall erstrecken sich zahlreiche Fundstellen über ganze Seiten. Es sind vier verschiedene Arbeiten, die plagiiert wurden: Allesamt Münsteraner Dissertationen früherer Jahre. Einige umfangreiche Stellen sind einer 2008 vorgelegten Arbeit (Doktorvater: Prof. Dr. Dr. Th.) entnommen, die ihrerseits auf immerhin mehr als 40% der Textseiten nicht gekennzeichnete Übereinstimmungen mit einer 2007 eingereichten Arbeit (Doktorvater: Prof. Dr. Dr. Th.) aufweist. Weitaus am ausgiebigsten bediente sich Affenretinaexperte Nr. 1 aus einer 2006 in Münster vorgelegten Dissertation (Doktorvater: Prof. Dr. Dr. Th.), die Ganglienzellen in der menschlichen Netzhaut untersucht. Darin, dass sich diese Studie seiten- und abschnittweise ohne wesentliche Änderung des Wortlauts zu Affenzwecken übernehmen ließ, zeigt sich einmal mehr das Primat des Menschlichen.

Vroniplag Wiki: Kandidatin (links) und Doktorvater (rechts)

Am Institut für Experimentelle Ophthalmologie, als dessen Leiter Prof. Dr. Dr. Th. wirkt, herrschte in jenen Jahren wohl ein ausgeprägter Teamgeist. Der war an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster allerdings auch andernorts anzutreffen. Am Institut für Physiologie I forscht und lehrt Prof. Dr. G. Unter seiner Anleitung entstand 2009 eine Dissertation zur neokortikalen Neurotransmission in Rattengewebe. Auf 11 der 20 Textseiten (52%) dieser Arbeit sind Plagiatsfunde zu verzeichnen. Besonders ausgiebig bedient sich die Kandidatin bei Prof. Dr. G.: Schon die Einführung ist fast vollständig von einem 2001 veröffentlichten Beitrag des Doktorvaters abgekupfert.

VroniPlag Wiki: Plagiatorin (links) und Plagiatorin (rechts)

Während die experimentellen Augenheilkundler den Affen hatten, ging es den Synapsenforschern um Prof. Dr. G. immer wieder um die Ratte. Die Auswirkungen von Knoblauchextrakt auf die Synapsenaktivität des Rattenhirns waren Gegenstand einer 2010 vorgelegten Dissertation, die nach gegenwärtigem Stand auf 17 ihrer 27 Textseiten (63%) Bedenkliches zeigt. Diesmal war Doktorvater Prof. Dr. G. eher am Rande betroffen. Hauptopfer war die Urheberin der Dissertation von 2009. Denn auch wer dreist abgekupfert hat, kann selbst plagiiert werden – ausreichend verbliebene Eigenanteile vorausgesetzt.

VroniPlag Wiki: Doktorvater (links) und Zweitgutachter (rechts)

Die Neurotransmissionsstudie von 2009 hatte sich immerhin schon an zwei Stellen aus einer Doktorarbeit zur Wirkung des Somatostatins bedienen können, die damals erst wenige Wochen zuvor an der Fakultät eingereicht worden war. 2011 fand diese Somatostatinstudie, bei der Prof. Dr. G. als Zweitgutachter fungiert hatte, in einer Dissertation zum Entorhinalkortex (Doktorvater: Prof. Dr. G.) weitaus gründlichere Verwertung: Vielfach und gleich seitenweise wird sie kopiert, meist wörtlich, manchmal erkennbar im Cut-and-Paste-Verfahren neu arrangiert. Immerhin auch noch recht beachtlich sind die Rückgriffe auf eine 2006 veröffentlichte Untersuchung, an der Prof. Dr. G. beteiligt war. Insgesamt weist die Entorhinalkortexarbeit auf 19 ihrer 40 Textseiten (47%) Plagiatsstellen auf.

VroniPlag Wiki: Visualisierung der Plagiatsbefunde

Und auch zur mehrfach plagiierten Somatostatinstudie ist Unschönes zu sagen: Auf 17 ihrer 21 Textseiten (81%) finden sich nach heutigem Stand erklärungsbedürftige Übereinstimmungen mit den Texten anderer Autoren, nicht zuletzt mit verschiedenen Veröffentlichungen des Zweitgutachters, Prof. Dr. G. So erweist sich S. 9 der Dissertation als weitgehend aus einer Publikation G.s von 2001 kopiert, S. 11 ist fast vollständig aus dieser und einer weiteren Veröffentlichung G.s. von 2005 zusammengefügt, während S. 12 wiederum vollständig aus G.s Arbeit von 2001 kopiert wurde. Theoretisch hätte Prof. Dr. G. seine eigenen Textstellen in der Entorhinalkortexarbeit von 2011 auch dort wiedererkennen können, wo die Autorin seitenweise die Somatostatinstudie abgekupfert hatte, die seitenweise bei ihm abgeschrieben hatte.

VroniPlag Wiki: Kandidat (links) und Doktorvater (rechts)

Als Doktorvater hatte im Fall der Somatostatinstudie PD Dr. Gr. gewirkt. Unter seiner Betreuung war 2009 auch eine pharmakologische Untersuchung zur kortikalen Streudepolarisierung entstanden, die in der Entorhinalkortexarbeit von 2011, bei der PD Dr. Gr. als Zweitgutachter fungierte, gleichfalls großzügig ausgeschlachtet wurde. Prof. Dr. G.,  der Betreuer der späteren Dissertation, hatte bei der früheren als Zweitgutachter gewirkt. Auch die gründlich abgekupferte Doktorarbeit von 2009 enthält bereits reichlich Ungehöriges: Auf 13 ihrer 15 Textseiten (87%) finden sich Plagiatsstellen. Vorzugsweise hatte sich auch dieser Kandidat bei Zweitgutachter Prof. Dr. G. bedient.

Als ein besonderer Moment im Zusammenwirken der Promotionsbetreuer Prof. Dr. G. und PD Dr. Gr. darf wohl der 20. November 2009 gelten, an dem sowohl die Autorin der Doktorarbeit zur kortikalen Streudepolarisierung als auch die Verfasserin der Dissertation zur neokortikalen Neurotransmission in Rattengewebe bei ihnen ihre mündlichen Prüfungen ablegten.

 absatz

Seit dem 19. April hat das VroniPlag Wiki für bislang 14 medizinische Dissertationen aus Münster umfassende Plagiatsdokumentationen auf der „Hauptseite“ vorgestellt, also unter voller Namensnennung der Betroffenen veröffentlicht. Doch die Serie ist noch nicht beendet. Von zumindest zwei weiteren Fällen wissen wir, dass sie einer Publikation in den kommenden Tagen oder Wochen entgegengehen. In einem dritten Fall ist die Überprüfung noch im Anfangsstadium.

Für die Fakultät ist diese Serie von Plagiatsfällen jetzt schon eine Katastrophe. Das Medienecho ist übel. Von einem „Flächenbrand“ war schon die Rede, als bei VroniPlag Wiki erst neun Verdachtsfälle aufgelistet waren. [1] Am heutigen 13. Mai soll der Fakultätsrat eine Untersuchungskommission einsetzen. Nicht nur der Plagiatsverdacht gegen die Autoren der Doktorarbeiten, sondern auch ein mögliches Fehlverhalten einzelner Gutachter soll geprüft werden. [2]

Schlimm. Doch wie schlimm? Der Fall Münster zeigt einmal mehr, dass im Wissenschaftsbetrieb und insbesondere im Promotionswesen einiges im Argen liegt. Die hier sichtbar werdende Gleichgültigkeit gegenüber Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens hat etwas Systematisches und in manchem Fall zugleich derart großflächig Blödsinniges an sich, dass es schwerfällt, ein Unrechtsbewusstsein anzunehmen. Oder muss man unterstellen, dass die Beteiligten (Kandidaten, Erst- und Zweitgutachter) beim Promotionsbetrug gemeinsame Sache gemacht haben?

Schon die Titelblätter von Doktorarbeiten, auf denen mal der Name des Zweitgutachters falsch geschrieben, mal die „Westfälsche“ Wilhelms-Universität als Alma Mater benannt wird, könnten ja darübel grübeln lassen, welche Bedeutung bei medizinischen, auf der Laborarbeit fußenden Promotionen der Schriftform beigemessen wird. Und wie verhält es sich mit dem Nachweis der individuellen wissenschaftlichen Eigenleistung bei experimentellen Arbeiten, die im Team durchgeführt wurden oder im Zusammenhang von Reihenuntersuchungen stehen? In mehr als einem Fall stellt sich auch die Frage, was es für die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung besagt, wenn zeitgleich mit den Experimenten des Kandidaten der Doktorvater die Ergebnisse einer ganz entsprechenden Untersuchung publiziert.

Das Konzept der individuellen wissenschaftlichen Eigenleistung ist eine Sache, die Bedingungen und die Ziele experimenteller Forschung sind oft eine andere. Die Münsteraner Plagiatsmisere zeugt allerdings eher am Rande von den allgemeinen und altbekannten Abgrenzungsproblemen in diesem Bereich. Es gibt hier kein Vertun: VroniPlag Wiki dokumentiert hier serielle, gravierende Verstöße gegen jegliche Begriffe von Wissenschaftlichkeit.

In Münster will man Trost immerhin in der Feststellung finden, dass alle in Verdacht geratenen Dissertationen aus der Zeit vor dem Sommer 2011 stammen. Damals hatte der spektakuläre Plagiatsfall Peter Lötters die medizinische Fakultät erschüttert. Auch dieser Kandidat hatte sich in großzügigster Weise bei einer einige Jahre älteren Münsteraner Dissertation bedient, die unter der Betreuung desselben Doktorvaters entstanden war. Damals teilte die Universität mit:

Der Autor der später erschienenen Arbeit – der Abstand betrug mehrere Jahre – räumte in seiner Antwort zwar ein, sich auf dieselben experimentellen Ergebnisse gestützt zu haben, verwies aber auf zusätzliche, neue Aspekte darin. Die gibt es laut Prüfung der Fakultät zwar tatsächlich. Doch bewerten die Gremien sie nicht als eine ausreichende eigenständige Leistung im wissenschaftlichen Sinn, die den Erwerb des Doktorgrades rechtfertigen würde. [3]

Der damalige wie heutige Dekan der Fakultät, Wilhelm Schmitz, glaubte zwar noch, dass es sich bei dem Plagiator Lötters um einen „absoluten Einzelfall“ handle,

schon weil es in der Medizin wegen der hohen Quote experimenteller Arbeiten und der Veröffentlichung in Zeitschriften und Datenbanken riskant sei, ein Plagiat einzureichen: „Auch nach Jahren laufen ‚Abschreiber’ noch Gefahr, entdeckt zu werden – wie im konkreten Fall“. [3]

Doch als weitere Sicherheitsmaßnahme wurde im August 2011 die Einreichung von Doktorarbeiten in digitaler Fassung vorgeschrieben und Plagiatssoftware angeschafft. Und tatsächlich sind unter den jetzt in Verdacht geratenen Münsteraner Dissertationen keine aus der Zeit seit August 2011. Nicht unter den durch VroniPlag Wiki bereits öffentlich gemachten Fällen, und auch nicht unter denen, deren Veröffentlichung gegenwärtig noch zu erwarten ist. Das kann ein erfreuliches Ergebnis der in Münster damals eingetretenen Wachsamkeit sein. Oder aber ein Resultat der seither dort deutlich gesunkenen Neigung zur Online-Veröffentlichung medizinischer Dissertationen.

Schlimm – doch wie schlimm? An der medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität werden jährlich mehr als 200 Promotionen vorgenommen, mitunter sind es auch mehr als 300 Fälle. Statistisch fallen da 15 Plagiatsfälle aus den Jahren 2004 bis 2011 also sicherlich nicht ins Gewicht. Sie sagen über das Promotionswesen in Deutschland oder in Münster und auch an der medizinischen Fakultät zu Münster genau so viel und genau so wenig wie die paar Fälle prominenter Plagiatoren, die in den letzten Jahren zum kollektiven Herzrasen der Wissenschaftsfunktionäre geführt haben. Dieses medizinische Phänomen ist im Fall Münster bislang ausgeblieben: Die Fälle sind nicht prominent, und politisch sind sie im Verständnis dieser Funktionäre unbedeutend. Für die Fakultät in Münster bietet das vielleicht die Chance, in Ruhe zu tun, was getan werden muss.

11 Antworten zu “Schöne neue Altweltaffen: Das Große Lausen von Münster

  1. Prof. Dr. G. war bereits 2011 als Co-Autor von „Natural remedies for impotence in medieval Persia“ (http://www.nature.com/ijir/journal/v16/n1/full/3901153a.html) aufgefallen. Dort wird u.a. beschrieben, wie der „general mail [sic] population“ unter Impotenz leidet. Diese vier Seiten genügten als Dissertation für die andere Autorin: http://d-nb.info/982547722/about/html. Ich habe mir die Dissertation kommen lassen, um das Werk mit eigenen Augen anzusehen. Aufsatz mit Co-Autor + Zusammenfassung auf Deutsch = Dissertation in Medizin in Münster.

    • … und das sind nicht die Ergebnisse einer vielleicht größeren Untersuchung im Labor! Es handelt sich bei diesen drei Seiten um einen kleinen medizinhistorischen Ritt, der nicht gerade viel hervorbringt, was bis dahin unbekannt gewesen wäre. Im Wesentlichen wird da aufgezählt, welchen Kräutern und sonstigen Heilmitteln die mittelalterliche persische Medizin vertraut hat. Dann wird geschaut, ob die Wirkstoffe dieser Kräuter in heutiger wissenschaftlicher Literatur schon mal behandelt worden sind. Fazit: Was noch nicht wissenschaftlich untersucht wurde, sollte mal wissenschaftlich untersucht werden. Diese Idee finde ich gut.

      Das Autoren-Duo hat übrigens mehrere solche Miszellen verfasst. Der Doktorgrad wurde aber dafür nur einmal vergeben.

  2. Pingback: Blog für wissenschaftliche Redlichkeit – Mit drei Seiten Ko-Autorschaft zum Doktorat: Kürzeste Dissertation der Welt an der Uni Münster aufgetaucht

  3. Es ist tatsächlich so, das Text, Literaturrecherche und Formalien eine erheblich geringere Bedeutung in Naturwissenschaft und Medizin haben und auch im Regelfall nicht, oder nur gering als wiss. Leistung angesehen werden. Jedoch heißt das nicht, das man seitenweise Texte kopieren darf.

  4. @Gast: Dem muss ich teilweise widersprechen, zumindest in Bezug auf medizinische Dissertationen. Dort gibt es nicht selten auch Dissertationen, die AUSSCHLIEßLICH Literatur-Review zu einem bestimmten Thema beinhalten oder sich mit Medizingeschichte beschäftigen und dies auch im Titel der Dissertation klarstellen. Andere fassen wieder Ergebnisse von Studien zusammen, an denen die Verfasser selbst gar nicht mitgewirkt haben. D.h. sie schreiben eigentlich über Arbeit, die andere gemacht haben, wobei der Hauptnutzen vielleicht darin liegt, dass der Professor die Ergebnisse in übersichtlicher und gut lesbarer Form inkl. Literaturrecherche und Diskussionsansätzen vorliegen hat, was ihm bei der Vorbereitung von Publikationen nützlich sein kann. Ggf. müssen die Kandidaten dazu noch Patientenakten auswerten. Auch das haben aber häufig schon die Statistiker weitgehend vorher ausgeführt. Man braucht nicht lange nach Beispielen zu suchen, bei Bedarf kann ich einige liefern.

    Aber auch bei experimentell orientierten Arbeiten ist oft nicht so klar, inwiefern die Kandidaten die experimentelle Arbeit ganz oder teilweise selbst durchgeführt haben. Die Idee und Planung mag vom Doktorvater stammen und die Durchführung mag in weiten Teilen auch vom festangestellten Personal (z.B. Klinikpersonal, Laboranten) erledigt sein. Auch dann mag ein Doktorand manchmal eher so etwas wie ein „Dokumentar“ sein. Das muss natürlich nicht so sein und trifft oft sicherlich auch nicht zu. Aber auch in diesem Fall muss man der Literaturarbeit einen nennenswerten Stellenwert einräumen, denn sonst bliebe vielleicht nicht mehr viel übrig, was der Doktorand sonst noch als echte und nennenswerte Eigenleistung beanspruchen könnte.

  5. Ich gebe zu, dass mir medizinische Dissertationen nicht sonderlich bekannt sind und das gesagte aus einer Naturwissenschaft stammt, in denen die Studenten/Doktoranden in der Regel jeden Tag 10 bis 14 Stunden im Labor sind.

    Tatsache ist, dass, auch wenn vereinzelte Formulierungsähnlichkeiten zumindest in Naturwissenschaften kein Problem sind und sich oftmals aufgrund der recht normierten Sprache auch nicht vermeiden lassen, das Kopieren ganzer Textseiten nicht gestattet ist. Anders kann ich es mir in der Medizin auch nicht vorstellen.

    Wobei, wenn ich mir die hier verlinkte Seite einer Universität ansehe, irre ich mich vielleicht auch…

    http://archiv.twoday.net/stories/876866235/#comments

  6. Promotionsordnung des Fachbereichs 5 Medizinische Fakultät (Münster)
    § 4
    Dissertation

    (4) An die Stelle der Dissertation kann auf Antrag eine bereits veröffentlichte Arbeit treten, wenn die Doktorandin/der Doktorand deren Erstautorin/Erstautor ist. In jedem Fall muss die Arbeit in einer begutachteten und im Web of Science/PubMed gelisteten Zeitschrift erschienen sein und die Bedingungen gemäß Absatz 1 erfüllen. Zusätzlich muss eine schriftliche Erklärung sowohl der Betreuerin/des Betreuers wie auch jeder Koautorin/jedes Koautors vorgelegt werden, die den von der Doktorandin/dem Doktoranden geleisteten Beitrag zu der Arbeit detailliert beschreibt und aus der hervorgeht, dass die Doktorandin/der Doktorand den wesentlichen Anteil an der Arbeit geleistet hat. Über die Annahme dieses Antrags entscheidet nach der Eröffnung des Verfahrens der Promotionsausschuss.

    Klicke, um auf Promotionsordnung_06.pdf zuzugreifen

    • Zu beachten ist dabei, dass es sich um die aktuell gültige Promotionsordnung vom 3.10.2008 handelt, zuletzt geändert am 7. Juni 2011.

      Der in Bezug genommene Absatz 1 lautet:

      „Die Dissertation ist eine wissenschaftliche Arbeit, aus der die Befähigung der Doktorandin/des Doktoranden hervorgeht, ein wissenschaftliches Problem zu erfassen, selbstständig zu bearbeiten und unter Berücksichtigung des vorhandenen Schrifttums verständlich darzustellen. Die Arbeit muss das ärztliche oder zahnärztliche Wissen bereichern. (…)“

  7. Inzwischen steht der Zähler für plagiierte Doktorarbeiten aus der medizinischen Fakultät in Münster bei VroniPlag auf „21“. Und es ist noch nicht Schluss. Bisher konnte die Fakultät wenigstens hoffen, dass es sich nur um „Altfälle“ aus der Zeit vor Sommer 2011 handelt, also vor der Anschaffung von Plagiatssoftware und der Verpflichtung zur Abgabe von Dissertationen in digitaler Fassung. Das wird sich demnächst erledigen: Auch 2012 wurde in gleicher Weise plagiiert wie zuvor.

    Als statistische Größe sind die entdeckten Fälle nach wie vor irrelevant, als Indikatoren eines systematischen Problems aber keineswegs. Und es ist vermutlich kein „Problem Münster“: Es hätte wohl auch eine andere Universität treffen können.

    Für das System Wissenschaft müssten diese Fälle sehr viel mehr bedeuten als ein Fall zu Guttenberg oder ein Fall Schavan. Doch welche Überraschung: Still ruht der See.

  8. Pingback: 100%-Plagiate an der Uni Münster? | Guttengate - Plagiat & Plagiatsvorwürfe

  9. Nach dem Fall Lötters, der einfach unbeschreiblich war (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Kurier/Ausgabe_5_2011#Wikipedia-Autoren%20als%20Plagiatsj%C3%A4ger? ), hätten beim Schmitz & Co. die Alarmglocken leuten müssen. Aber schon die völlig verharmlosende Aussage „verwies aber auf zusätzliche, neue Aspekte darin. Die gibt es laut Prüfung der Fakultät zwar tatsächlich.“ stieß damals auf mein Unverständnis. Da wurde nicht nur über 90 % des Textes dreist abgepinnt und darüber beim selben Doktorvater promoviert, nein das wenige was neu war, waren z.T. manipulierte Daten aus der alten Dissertation. Der Doktorvater, der dieses Plagiat entweder nicht gelesen oder blind durchgewunken hat, durfte ein Jahr keine Doktoranden betreuen. Konsequenzen beim „Qualitätsmanagement“ gab es keine. Weitere Überprüfungen blieben aus. Alles blieb unterm Deckel und jetzt kocht die ganze Sch…. hoch.

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