Nach Düsseldorf: Schavan zu Höherem berufen

Annette Schavan hat in ihrem Kampf um die Rückgewinnung ihres akademischen Grades in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf heute eine Niederlage kassiert. Nun steht ihr der Weg in die Berufung vor dem OVG Münster offen. [1] Sie hatte vorab bereits angekündigt, diesen Weg im Fall der Niederlage gehen zu wollen. Was heute aus dem Verhandlungssaal III in der Düsseldorfer Bastionstraße verlautete, lässt einen solchen Weg allerdings schwer gangbar und nicht gerade aussichtsreich erscheinen.

Denn es war eine krachende Niederlage, die Schavan hier kassiert hat. Wie berichtet wird, hat das Gericht unter der Vorsitzenden Richterin Simone Feuerstein kein einziges der Argumente gelten lassen, die von Schavan, ihren zahlreichen öffentlichen Fürsprechern und schließlich ihren Rechtsvertretern vorgebracht worden waren. Weder verfahrensrechtliche noch materielle Einwände haben sich demnach gegen das Verfahren ergeben, das an der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf betrieben worden war: Nicht nur keine gravierenden Einwände, sondern gar keine. Dabei wurde auch deutlich, dass es das Gericht nicht bei einer bloßen Überprüfung der formalrechtlichen Zulässigkeit der Vorgehensweise bewenden ließ, sondern dass auch die inhaltliche Beweisführung durch die Düsseldorfer Fakultät nachvollzogen wurde. In der Verhandlung hatten Schavans Anwälte der Deutung verschiedener Textstellen durch den Düsseldorfer Gutachter, Prodekan Stefan Rohrbacher, wenig entgegenzusetzen, während die Richterin folgerte: “Von einem Versehen … kann nicht ausgegangen werden.” [2] Nach der Verhandlung formulierte der Sprecher des Gerichts wörtlich:

Die richterliche Sachprüfung hat ergeben, dass die Klägerin bei der Erstellung der Doktorarbeit getäuscht hat und deshalb die Zurücknahme des Titels rechtmäßig erfolgt ist. [3]

Für die Gerichtsverhandlung hatten sich die Rechtsvertreter der Klägerin noch einige Überraschungen ausgedacht, die jedoch nicht so recht zündeten – und wenn sie zündeten, dann schlugen die Raketen hinter den eigenen Linien ein. So spielte der Münsteraner Professor Bodo Pieroth, der Rechtsanwalt Christian-Dietrich Bracher von der Prominentenkanzlei Redeker Sellner Dahs wirksam verstärken sollte, eine pyrotechnisch eher unglückliche Rolle. Pieroths Verweis auf ein noch nicht veröffentlichtes Urteil des BVG, wonach sich sozusagen die Verjährung als Verfassungsrecht dargestellt hätte, wurde von der Gegenseite ebenso lustvoll gekontert wie der Verweis auf den Münsteraner Plagiatsfall Mareike Bonnekoh, der dort nur mit einer Rüge geahndet worden sei. Der Rechtsvertreter der Universität, Klaus Ferdinand Gärditz, erklärte ein solches Vorgehen der Universität Münster kurzum für rechtswidrig. Auch bei anderer Gelegenheit sorgten die Prozessvertreter der früheren Bundesministerin für Heiterkeit im Saal.

Der Ausgang der Sache zeichnete sich bereits deutlich ab, nachdem das Gericht noch am Vormittag die Beweisanträge der Klagevertretung abgewiesen hatte. Bracher hatte die Einholung erziehungswissenschaftlicher Fachgutachten und die Anhörung von Doktorvater Gerhard Wehle und Zweitgutachter Werner Heldmann erreichen wollen. Die Begründung, mit der Richterin Feuerstein ihre ablehnende Reaktion versah, sprach Bände: Sie würdigte diese Beweisanträge, die immerhin wesentliche Verteidigungslinien der Klägerin stützen sollten, als unerheblich und sogar als substanzlos. In der mündlichen Urteilsbegründung wurde vollends deutlich, dass das Gericht das Vorbringen der Klägerin für rundum unbegründet hält. Dem Vernehmen nach wurden ihre Argumente vollständig zerpflückt: Sie gingen am Kern des Vorwurfs vorbei. Es handle sich auch keineswegs um einen Bagatellfall, sondern um einen gravierenden Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit.

Für Schavan und ihre ganz besondere Glaubensgemeinschaft hat sich freilich mit dem heutigen Tag nichts geändert. „Ein guter Tag für die Fußnotenzähler“, stellt die einschlägig schon vielfach bewährte Marion Schmidt in der ZEIT fest: Das Gericht habe einfach nur „schnellen Prozess“ gemacht, die Willkür der Universität bestätigt und der Wissenschaft einen Bärendienst erwiesen. Denn „offenkundig“ sei für das Gericht „die hohe Zahl der Plagiatsstellen“ maßgeblich gewesen, und nicht etwa das Verfahren der Universität. Dass das Gericht dieses Verfahren soeben umfassend überprüft und in jeder Hinsicht ohne Beanstandung gefunden hat, nimmt Marion Schmidt nicht zur Kenntnis. Und so findet sie es verwunderlich, dass bei einem Entzug des Doktorgrades wegen Plagiaten die hohe Zahl der Plagiatsstellen maßgeblich sein soll, und DIE ZEIT findet das druckbar.

An der Ulmer Basis sieht es auch nicht schlechter aus. Hier zeigt sich CDU-Fraktionschef Thomas Kienle vom Ausgang des Gerichtsverfahrens wenig überrascht

angesichts der politischen Konstellation in Nordrhein-Westfalen und der Konstellation der Gerichtsbarkeit. Indes: „Urteile sind zu respektieren, nicht zu kommentieren“, sagt Jurist Kienle. [4]

In Sachen Respekt vor der Gerichtsbarkeit kann man von Jurist Kienle wahrhaftig allerhand lernen. Und für den Fall, dass Annette Schavan tatsächlich Berufungsklage erhebt und damit auch vor dem Oberverwaltungsgericht nicht durchdringt, wollen wir uns schon mal merken: Auch Münster liegt in Nordrhein-Westfalen!

Für Annette Schavan und ihre persönliche Bedarfslage bei der Gewissensbildung ist das eigentlich gar nicht mal so schlecht.

10 Antworten zu “Nach Düsseldorf: Schavan zu Höherem berufen

  1. Gut, dass es die Rheinische Post gibt. Die informiert uns nämlich am Freitag, *wer* insbesondere von Jurist Kienle noch allerhand zu lernen hat. Schavans Ersatzmann Hermann Gröhe, selbstverständlich ebenfalls Jurist, findet nämlich, dass Gerichtsurteile über universitäre Verfahren ganz und gar nichts aussagen. (Dass das betreffende Gerichtsurteil nicht nur das universitäre Verfahren überprüfte, sondern sich auch von der Korrektheit seiner Inhalte überzeugt hat, hat ihm wohl keiner verraten.) „Die Entscheidung zeigt die Grenzen der gerichtlichen Überprüfbarkeit fragwürdiger universitärer Verfahren“.
    http://www.finanzen.ch/nachrichten/aktien/Rheinische-Post–Minister-Groehe-stellt–im-Fall-Schavan-Aussagekraft-von-Gerichtsurteilen-ueber-Uni-Verfahren-in-Frage-1000042534

    Das Qualitätsmedium huffingtonpost.de raunte ja neulich schon: „Jetzt, da Friedrich weg ist, steht jedenfalls zu befürchten, dass das Kabinett einen neuen Dummen braucht“, und fragte: „Wer wird der neue Fußabtreter der Nation?“ Ich weiß jemanden, der ganz gut im Rennen liegt, so völlig fachfremd, wie er sich auf jedem Gebiet bewährt.

    Etwas überrascht bin ich allerdings schon, wie die schavanistische Strategie der totalen Respektlosigkeit in Verbindung mit vollständiger Realitätsverleugnung nun umstandslos vom HHU-Fakultätsrat auf die 15. Kammer des VG Düsseldorf übertragen wird. Wie intensiv muss sich denn ein Gröhe, müssen sich Schavans Partei- und Kostgänger mit der Dissertation, den Plagiatsvorwürfen, dem Rohrbacher-Gutachten, dem Gärditz-Gutachten und allen sonstigen Dokumenten des Verfahrens befasst haben, um nicht nur 15 Wissenschaftlern, sondern auch 5 Hochschulrechts-Praktikern, die das alles lesen mussten, die Kompetenz abzusprechen, einmütig die Summe daraus zu ziehen? Aber wahrscheinlich gehört Kompetenzleugnung zu den Aufgaben, die die Partei- und Kostgänger einfach auf Zuruf übernehmen?

    Richterin Feuerstein, Richterin Hentzen und Richter Kraus, sowie die ehrenamtlichen Richter Bremer und Elf sind nicht zu beneiden. Wenn die Möglichkeit, dass die ihren Job gewissenhaft gemacht und auf Basis der vorgetragenen Argumente entschieden haben, Schavanisten als von vornherein ausgeschlossen gilt, dann ist das undankbar. Und infam ist die zugehörige implizite Forderung, die Gerichte sollten sich – wie die Universitäten – den Wünschen der Herrscherklasse beugen. Dass staatliche Stellen Entscheidungen nun nicht mehr ohne Ansehen der Person treffen sollten, sind erzreaktionäre Vorstellungen, die vor die Französische Revolution zurückverweisen.

    • HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz hat jetzt bescheinigt, dass mit den Äußerungen von Gröhe „die nötige Tiefe“ erreicht ist. Bei fragwürdigen universitären Verfahren solle die Überprüfung zukünftig nicht mehr bei den Gerichten liegen. Zu denken sei stattdessen an ein unabhängiges Gremium aus Mitgliedern des HU-Präsidiums und der Neusser Schützenbruder-Durchmarschkompanie „Glaubesitteheimat 1956“.

  2. „Pieroths Verweis auf ein noch nicht veröffentlichtes Urteil des BVG, wonach sich…“
    Seit wann schreiben die Berliner Verkehrsbetriebe Urteile?

    • Der Beitrag stammt von Simone G., ihr sei die Verwendung dieser durchaus auch üblichen, aber nicht eindeutigen Abkürzung nachgesehen. Besser ist es natürlich, das Kürzel BVerwG zu verwenden.

      Übrigens gibt es dieses ganze gewichtige und verstörende Problem überhaupt nur wegen Borussia Dortmund. Ohne Borussia Dortmund könnten sich die Berliner Verkehrsbetriebe nämlich BVB abkürzen, wie es sich gehört, und dann wäre das Bundesverwaltungsgericht natürlich das BVG. Nur Ärger mit den Typen.

  3. Sinkendes Schiff mit Heiligenschein?

  4. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Schavan auf eine weitere Verfahrensrunde vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verzichten könnte. Bei öffentlichen Auftritten ist das Thema „Dr.“ neuerdings tabu. Auch eine Anrede als „Frau Dr.“ ist nun offenbar unerwünscht. Auf den Seiten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wurde Annette Schavan bis vor wenigen Tagen noch mit dem „Dr.“ aufgeführt, inzwischen ist er dort gelöscht. Diese Löschung ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Betroffenen selbst veranlasst. Eine rechtliche Notwendigkeit besteht zur Zeit noch nicht.

    Angesichts des für Schavan verheerenden Wortlauts der Urteilsbegründung, deren Veröffentlichung ja noch bevorsteht, würde ein solcher Verzicht Sinn machen. Den Vatikan-Ambitionen der nunmehr gerichtsnotorischen Plagiatorin könnte jedes weitere Aufsehen um diese leidige Sache nur schaden. Das jetzt zu bemerkende Rumoren an der LMU München, wo man die endgültig peinlich gewordene Hochschulrätin Schavan lieber irgendwie unauffällig entsorgen würde, ist schon schlimm genug. Und auch an der FU Berlin ist ja noch etwas zu erwarten. Schavan mag aber hoffen, dass die Wogen nicht allzu hoch schlagen – und wird selbst keinen Wind mehr machen, sondern ihr Schifflein still und unauffällig in papale Gewässer steuern wollen. Das ist sie sich schuldig. Der Wissenschaft ist sie dagegen nun wohl doch nicht mehr allzu viel schuldig.

    Auf ihrer Homepage ist noch keine Veränderung vorgenommen worden. Das spricht nicht gegen unsere Spekulation. Denn neuerdings ist die Pflege dieser Homepage überhaupt eine Herausforderung der besonderen Art. Der Pressespiegel z.B. zeigt in den letzten Wochen erheblichen Mut zur Lücke. Und wie man hier die nötigen Anpassungen der Vita etc. hinbekommen könnte, ohne gerade damit wieder Wind zu machen, das ist gar nicht leicht zu sagen.

    Aber vielleicht kommt ja auch alles ganz anders. Wenn Schavan weiterhin so grottenschlecht beraten ist wie bisher, dann macht sie nämlich doch weiter und beantragt die Zulassung der Berufung. Wünschen möchte man es ihr nicht.

    • Auch auf ihrer Homepage ist der akademische Rückbau schon im Gange. Die Promotion wird im Lebenslauf zwar unverändert erwähnt, aber Annette Schavan führt den Dr. offenbar nicht mehr. Entsprechend geändert wurde z.B. die Kontaktseite (alt / neu), ebenso die Seiten „Büro Berlin“ und „Impressum“. Die Sache wird also recht sicher keine Fortsetzung in Münster finden.

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