Post für Horst Hippler

Vor einigen Tagen hat Erbloggtes aufgedeckt, dass der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, hinter den Kulissen massiv versucht hat, das Vorgehen der Universität Düsseldorf im Fall Schavan zu beeinflussen: Am 15. Januar 2013, wenige Tage bevor der Fakultätsrat über die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrades entscheiden sollte, meldete sich Hippler schriftlich bei Rektor Piper und Dekan Bleckmann, „persönlich – vertraulich“, um ihnen „die Sorge einer namhaften Zahl der Mitglieder der HRK“ zu übermitteln, ob denn in Düsseldorf auch alles mit rechten Dingen zugehe. Angehängt war eine angebliche „Erklärung“ der HRK „zu Plagiatsverfahren an deutschen Hochschulen“, die darauf hinauslief, dass die Düsseldorfer Fakultät den Forderungen von Annette Schavan und ihren Unterstützern nachgeben müsse. [1]

Diese „Erklärung“ ist in vieler Hinsicht bemerkenswert. Auffällig ist schon, dass sie kein Datum trägt. Wann und bei welcher Gelegenheit wurde sie also beraten und beschlossen? Und von wem? In seinem Anschreiben behauptet Hippler, sie werde „getragen von einer Vielzahl von großen Universitäten, auch von den Gruppen der U15 und der TU9“ – also von jenen Hochschulen, die aus ihrer besonderen Größe und/oder Forschungsstärke besondere politische und finanzielle Ansprüche ableiten. Es war bislang nicht bekannt, dass form- und zeitlose Zusammenrottungen „einer Vielzahl von großen Universitäten“ irgendwelche Erklärungen zum Ergebnis haben können, die anschließend auf dem Briefpapier der HRK durch deren Präsidenten verschickt werden.

Und was hat es inhaltlich mit dieser „Erklärung zu Plagiatsverfahren an deutschen Hochschulen“ auf sich, die deren Rektoren – oder jedenfalls eine „namhafte Zahl“ namenloser Mitgliedshochschulen der HRK – derart in Sorge versetzten? Im Berliner Tagesspiegel werden die angeblich „etablierten Grundsätze wissenschaftlicher Beurteilungspraxis“, deren Mißachtung Hippler der Düsseldorfer Fakultät unterstellen wollte, jetzt von Anja Kühne zutreffend charakterisiert:

So müssten „Beschuldigte“ „detailliert Stellung nehmen können“. Tatsächlich hat Schavan der Uni Düsseldorf gegenüber eine solche detaillierte Stellungnahme abgegeben. Auswärtige Gutachter sollten bestellt werden, „sobald es sich nicht um Routineverfahren handelt oder nicht ausreichend unabhängige Fachexpertise in der betroffenen Fakultät vorhanden ist“, heißt es weiter. Doch tatsächlich hat der Düsseldorfer Fakultätsrat keine auswärtige Expertise angefordert, weil es sich aus seiner Sicht trotz der Prominenz der Verdächtigten inhaltlich nicht um einen komplizierten Fall handelte. Die von Schavan eingereichten drei Stellungnahmen externer Professoren wurden bei der Urteilsfindung aber mitberücksichtigt. Auch das in der „Erklärung“ angemahnte „Mehraugenprinzip“ hat die Düsseldorfer Fakultät eingehalten: Zunächst hatte der Judaist Stefan Rohrbacher in monatelanger Recherche eine Dokumentation der von Schavan ohne Kenntlichmachung aus anderen Werken übernommenen Textstellen erstellt und sein eigenes Fazit angehängt, wonach es sich um Plagiate handelte. Die 15 Mitglieder des Fakultätsrats, dem Rohrbacher nicht angehörte, kamen dann mit 13 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen zu der Einschätzung, es handle sich um plagiierte Passagen, zwölf Mitglieder stimmten dafür, Schavan den Doktorgrad abzuerkennen. [2]

Auffällig ist auch, dass diese angebliche „Erklärung“ der HRK niemals veröffentlicht wurde.

An dieser Stelle können wir die Geschichte von Korruption und Machtmissbrauch, die Erbloggtes aufgedeckt hat, um ein Zwischenkapitel ergänzen. Denn wie Annette Schavan gerade feststellen musste, treiben die jungen Menschen heutzutage nur noch heillosen Unfug, statt etwa Wahlveranstaltungen mit Annette Schavan zu besuchen: „Die kippen Sachen in ihren Computer. […] Nach 23 Uhr ist es am schlimmsten“, weiß Schavan. [3] Und irgendwann tauchen diese Kippsachen dann im Netz auf.

preview-hippler-hrk-17-01-2013pdf-2-1Als Kippsache nach 23 Uhr ist wohl auch die Antwort im Netz gelandet, die Dekan Bleckmann im Januar 2013 dem Präsidenten der HRK gegeben hat. Von der angeblichen „Vielzahl“ großer Universitäten zeigt er sich in seiner Erwiderung ebenso wenig beeindruckt wie von U15 oder TU9: Hipplers Brief sei nur „gemeinsam mit weiter nicht namentlich benannten Kollegen und mit unklarem Mandat“ geschrieben. Also unseriös, darf man ergänzen. Die Sorge um die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis sei gegenstandslos, denn das Düsseldorfer Verfahren folge „durchaus den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der aktuellen Promotionsordnung.“ [3] Dem Philosophischen Fakultätentag habe er über das Verfahren berichtet, schreibt Bleckmann und verweist damit darauf, dass das Promotionswesen Sache der Fakultäten ist. Dem Präsidenten der HRK mag er dagegen keine nähere Auskunft geben. Das Verfahren unterliege im Übrigen der Kontrolle durch die Rechtsaufsicht. Und keineswegs der Aufsicht durch die HRK, ergänzen wir. Anschließend stehe zur Überprüfung der Rechtsweg offen:

Ich sehe also keine wirkliche Veranlassung oder Begründung für Ihre die Integrität unseres Verfahrens in Zweifel ziehende Intervention und ihre indirekte Kritikäußerung. [4]

Und mit seinem letzten Satz macht Dekan Bleckmann noch einmal vollends deutlich, was von der angeblichen Sorge seines Briefpartners um ein korrektes Verfahren der Universität zu halten ist:

Von großem Interesse ist die in Ihrer Erklärung vorgenommene Unterscheidung von „Routineverfahren“ versus außergewöhnlichem Verfahren, die Sie sicher bei Gelegenheit hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirksamkeit erörtern werden wollen. [4]

Wenn diese „Erklärung“ der HRK niemals veröffentlicht wurde, mag das also auch daran liegen, dass sich die Düsseldorfer Fakultät nicht einschüchtern ließ, den ungehörigen Einmischungsversuch entschieden zurückwies und zugleich deutlich machte, auf welch dünnem Eis sich Hippler hier bewegte. Immerhin ist die HRK eine Organisation mit klaren Strukturen und einer Hierarchie der Gremien: Es gibt eine Mitgliederversammlung, einen Senat und ein Präsidium. Und es gibt das Briefpapier in der präsidialen Schreibtischschublade, doch das ist etwas anderes.

Hippler hatte sich mit seinem Schreiben eine heftige Abfuhr geholt. Doch war eine machtvolle Intervention in Düsseldorf inzwischen noch dringender geworden: Am 16. Januar 2013 hatte die Universität ein ausführliches Gutachten des Bonner Wissenschaftsrechtlers Klaus Ferdinand Gärditz veröffentlicht, das dem bisherigen Verfahren völlige Korrektheit und Unbedenklichkeit bescheinigte. Und so griff Horst Hippler am 18. Januar zu einem anderen Stapel Briefpapier, denn wie es sich fügte, hatte die HRK vor kurzem den Vorsitz in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen übernommen. Diese Allianz erklärte nun also dasselbe, was vorher die HRK erklärt hatte. Oder doch nicht ganz dasselbe. Während der erste Satz seiner HRK-Erklärung gelautet hatte:

Die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf führt derzeit ein Verfahren zur Überprüfung von Plagiatsvorwürfen durch, die gegen  Frau Professor Dr. Annette Schavan erhoben werden [1]

begann die Allianz-Erklärung mit dem Satz:

 Die Philosophische Fakultät der Heinrich Heine Universität Düsseldorf (HHU Düsseldorf) führt derzeit ein Verfahren zur Überprüfung von Plagiatsvorwürfen durch, die gegen Frau Prof. Dr. Annette Schavan erhoben werden. [5]

Auch war nun das Gärditz-Gutachten zu entkräften, indem verfahrensrechtliche Korrektheit als bloßer Formalkram abgetan wurde: Sie war

keine hinreichende Bedingung, um die Entscheidung über die Aberkennung eines Doktorgrades zu begründen. [5]

Eine solche Aberkennung setzte laut Hippler (Allianz) vielmehr jene „in der Wissenschaft übliche[n] Verfahrenselemente“ voraus, die Hippler (HRK) sogar zu „etablierten Grundsätzen“ erklärt hatte.  HRK und Allianz waren sich also im Wesentlichen einig, und auch mit den Präsidenten der anderen Wissenschaftsorganisationen war völlige Übereinstimmung unschwer zu erreichen. Sie hatten sich ja ohnehin allesamt schon zuvor hinter die Ministerin und gegen die Universität gestellt. Irgendwelche Rücksichten auf Mitglieder, Gremien und Wege der Beschlussfassung waren in diesem Fall nicht zu nehmen: Die Allianz kennt nichts dergleichen, sie funktioniert rein interpräsidial. Und da die Universität Düsseldorf offenbar nicht mit sich reden ließ, wurde diese neue, schöne Erklärung am 18. Januar 2013 gleich in die Öffentlichkeit gegeben. Ein derart entschiedener öffentlicher Einspruch der Wissenschaft würde wohl ein entsprechend gewaltiges Echo finden und auf diese Weise seine Wirkung am Ende doch nicht verfehlen.

Die von den Wissenschaftsfunktionären öffentlich geschmähten Düsseldorfer hätten auf Vertraulichkeit „offenbar keine Lust mehr“, seitdem sie vor Gericht in vollem Umfang recht bekommen hätten, meint Anja Kühne. [2] Inzwischen tauchen in den Kommentarspalten der Blogs erste weitere Namen von Wissenschaftsfunktionären auf, die damals hinter den Kulissen versucht haben sollen, unmittelbar auf die Universität einzuwirken. Zumindest in einem Fall sind recht beeindruckende Hinweise auf solche Versuche schon seit Monaten in Umlauf. Bewiesen ist davon bis jetzt noch nichts. Staunen würde man mittlerweile aber kaum noch, wenn sich das alles demnächst in vollem Umfang bewahrheiten würde.

Jedenfalls stehen die Chancen, dass wir doch noch recht genau erfahren werden, was damals wirklich gespielt worden ist, nicht ganz schlecht angesichts all der Düsseldorfer Unlust und all der jungen Menschen, die nach 23 Uhr Sachen in den Computer kippen.

9 Antworten zu “Post für Horst Hippler

  1. In den Kommentaren unter meinem Artikel bewertete Plagiatsexperte Volker Rieble die Hippler-Aktion sogar als „verfahrensfehlerhafte Einmischung eines gar nicht legitimierten Verbandes (‚zuständig‘ wären doch allenfalls Fakultätentage, weil das Promotionsrecht allein den Fakultäten zusteht)“. Vor diesem Hintergrund verstehe ich den Verweis des Dekans Bleckmann, dass er dem Philosophischen Fakultätentag über das Verfahren Bericht erstattet hatte, als professoral formulierte Zurückweisung der illegitimen, gar illegalen?, Einmischung.

    Verständlicher wäre gewesen: Ey, Alda, kümmer dich um deinen Scheiß!

  2. Kleine Korrektur zu dem Artikel von Anja Kühne: Prof. Rohrbacher hat dem Fakultätsrat als damaliger Prodekan sehr wohl angehört, hatte aber – ebenso wie der Dekan – kein Stimmrecht. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 28 Abs. 3 HG NRW.

  3. Wäre Ikonografisch nicht vielmehr eine Banane statt einer überlagerten Zitrusfrucht diesem Vorgang im Hause Hippler angemessen? Oder wurde die Banane versehentlich nach 23 Uhr in einen Computer gekippt und stand deshalb symbolisch nicht mehr zur Wahl?

    • Ja, es gab da längere Diskussionen mit Mandy von der Grafik. Sie bestand auf der Orange. Es ging irgendwie darum, dass alles andere (Banane, Zitrone, Ei) zu platt gewesen wäre in der Aussage.

      Mit Mandy ist es nicht immer einfach.

  4. Pingback: Die drei Muskeltiere und der Lockruf des Goldes | Erbloggtes

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